Der "Löwe" brüllt nicht mehr

Abschied von jenem wortgewaltigen und weißmähnigen Mann, der als "Löwe des Senats" jahrzehntelang die US-Politik geprägt hat: Der demokratische Senator Edward Kennedy ist tot.

Washington. Am Ende hat der "Löwe" den Kampf gegen seinen bösartigen Hirntumor verloren: Als in der Nacht zu Mittwoch die Nachricht vom Tod Edward "Ted" Kennedys aus dem Familienanwesen in Hyannisport (Massachussetts) dringt, haben sich trotz der ungewöhnlichen Uhrzeit Dutzende Menschen an der Zufahrt versammelt, legen Blumen und Kondolenzkarten nieder - und weinen. Denn sie ahnen: Mit dem Tod des letzten der vier Kennedy-Brüder starb auch der Patriarch der wohl mächtigsten Familien-Dynastie in der amerikanischen Geschichte.

Die Reaktionen zeigen, dass sich das Land der Bedeutung dieses Augenblicks bewusst ist. Um kurz nach zwei Uhr wird auch der in der Nähe urlaubende Barack Obama geweckt. 25 Minuten später spricht der US-Präsident bereits mit Kennedys Witwe Victoria und bringt seine Trauer um den "Freund" und "größten Senator unserer Zeit" zum Ausdruck.

Edward Kennedy, John F. Kennedy, Robert Kennedy und Joseph Kennedy jr. Vier Brüder. Der letztere stirbt bereits im Zweiten Weltkrieg als 29-Jähriger bei einem Lufteinsatz. Doch die politischen Triumphe und persönlichen Tragödien der anderen drei Brüder halten die Nation jahrzehntelang in Atem. John F. Kennedy, für den Ted den Wahlkampf organisierte, wird 1960 zum Präsidenten gewählt und stirbt nur drei Jahre später bei einem Mordanschlag in Dallas (Texas). Robert Kennedy, Senator mit Präsidentschaftsambitionen, fällt 1968 ebenfalls den Schüssen eines Attentäters zum Opfer. Von da an liegt die Last, den politischen Einfluss der Familie zu erhalten, auf den Schultern von Ted Kennedy. Er hat den Senatssitz seines ermordeten Bruders Robert übernommen - und setzt sich in insgesamt sieben Amtszeiten auf dem Kapitol vor allem für jene ein, deren Stimmen sonst kaum gehört werden: Minderheiten, sozial Schwache und Menschen, denen die Gesellschaft kein Auffangnetz bietet. Wie jene 47 Millionen Amerikaner ohne Krankenversicherung. Deshalb wird die Gesundheitsreform, die derzeit so das Land spaltet, zu einem bedeutenden späten Anliegen des Todkranken.

Doch auch das Leben von Ted Kennedy ist nicht ohne jene spektakulären Schattenseiten. So verbaute die verhängnisvolle Nacht des 18. Juli 1969 Ted Kennedy für immer den Weg in den politischen Olymp: Er sitzt am Steuer seines Wagens, der nach einer Party von einer Brücke in einen Teich nahe Chappaquiddick stürzt. Kennedy rettet sich aus dem versinkenden Fahrzeug, lässt seine 28-jährige Beifahrerin Mary Jo Kopechne hilflos zurück. Taucher ziehen sie zehn Stunden später tot aus dem Auto. Seither kämpfte Ted Kennedy nicht nur für die "Underdogs" in der Gesellschaft, sondern auch gegen den Ruf, ein Alkoholiker und Frauenheld zu sein.

Meinung

Ende einer Ära

Kein Zweifel: Mit dem Tod von Edward "Ted" Kennedy endet in den USA auch die Ära einer machtvollen politischen Dynastie. Das Leben des jetzt an einem Gehirntumor verstorbenen Senators war von jenen Höhen und tragischen Tiefen geprägt, die auch den Werdegang seiner ermordeten Brüder begleiteten. Doch politisch hat, auch wenn es der 77-Jährige nicht ins Weiße Haus schaffte, der Demokrat durch seine Gesetzesinitiativen vermutlich mehr erreicht, als es jemals ein Präsident in einer Amtszeit bewirken könnte. Das vermutlich größte Vermächtnis schuf Kennedy, als er im vorigen Jahr - schon von der Krankheit gezeichnet - die Partei ermunterte, auf einen Mann zu setzen, der so ganz anders ist als er selbst und der aus keiner von Ruhm, Reichtum und Einfluss geprägten Familie stammt: Barack Obama. Der wird heute auch als "schwarzer Kennedy" bezeichnet und setzt mit seinem Kampf für eine Gesundheitsreform die Arbeit eines Politikers fort, der mutig erkannt hatte, dass die Zeit für einen radikalen Wandel reif war. nachrichten@volksfreund.de

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