Der Nebel über Paris beginnt sich zu lichten

Paris · François Hollande hat seinen Innenminister zum neuen Regierungschef ernannt. Bernard Cazeneuve folgt auf Manuel Valls, der in den Wahlkampf gestartet ist. In Frankreich wird damit nach und nach erkennbar, wohin politisch die Reise geht - zumindest bis zu den Präsidentschaftswahlen Ende April kommenden Jahres.

Paris. Mit einer Amtszeit von nur fünf Monaten wird Bernard Cazeneuve als französischer Regierungschef mit der kürzesten Amtszeit in die Geschichte eingehen. Präsident François Hollande ernannte seinen Innenminister am Dienstag zum Nachfolger des zurückgetretenen Manuel Valls, der seine Präsidentschaftskandidatur verkündet hatte.
Im Innenministerium wird Cazeneuve durch den Fraktionschef der Sozialisten in der Nationalversammlung, Bruno Le Roux, ersetzt.
Mit der dritten Regierungsumbildung seiner Präsidentschaft stellt Hollande die Weichen für die Zeit bis zu den Präsidentschaftswahlen Ende April. Der Staatschef, der vergangene Woche auf eine weitere Kandidatur verzichtet hatte, umgibt sich für die letzten Monate im Elysée mit seinen treusten Mitarbeitern. Das Umfeld des Präsidenten lobte denn auch den "starken Zusammenhalt" der neuen Ministerriege.
Nach dem ehrgeizigen Valls, der ihn in den vergangenen Wochen zum Rückzug gedrängt hatte, entschied Hollande sich mit Cazeneuve für einen Regierungschef ohne politische Ambitionen. Der 53-Jährige, der seit 2012 schon mehrere Ministerposten hatte, kündigte bereits an, dass er nach den Wahlen wieder als Anwalt arbeiten will. "Er ist der Abwickler", sagte der konservative Abgeordnete Eric Ciotti zu der Entscheidung. Hollande sieht seinen neuen Regierungschef dagegen in der Aufgabe, die Franzosen zu schützen. Eine Mission, die Cazeneuve bereits während der Anschläge im vergangenen Jahr als Innenminister mit Ruhe und Bedacht ausfüllte.Le Roux wird Innenminister


Seine letzten fünf Monate im Amt will Hollande nicht als Götterdämmerung verstanden wissen. "Präsident war ich, Präsident bin und ich Präsident werde ich bleiben", sagte der Sozialist am Wochenende in Abu Dhabi. Den Schwerpunkt will er auf die Bekämpfung des Terrorismus, den Arbeitsmarkt und die innere Sicherheit setzen.
Nach dem bewährten Cazeneuve soll nun Bruno Le Roux diese Aufgabe übernehmen. Der 51-jährige Experte in Sicherheits- und Verteidigungsfragen hatte seit 2012 auf ein Ministeramt gewartet. "Kompetenz, Erfahrung und Nähe zum Staatschef" hätten den Ausschlag gegeben, zitierte die Zeitung Le Monde Mitarbeiter des Präsidenten.
Der nutzte die Regierungsumbildung nicht zur großen Abrechnung mit Manuel Valls, der sich am Dienstag bereits in den Wahlkampf stürzte. Lediglich den Valls-Vertrauten Jean-Marie Le Guen, bisher Minister für die Beziehungen zum Parlament, degradierte Hollande mit dem Entwicklungsressort. Die anderen Kabinettsmitglieder, die Valls nahestehen, beließ der Präsident auf ihren Posten. "Wenn er die Anhänger von Valls entfernt hätte, hätte er gezeigt, dass er ihn nicht bei den Vorwahlen unterstützt", schrieb Le Monde.
Der Präsident, der nach seinem Verzicht 13 Prozentpunkte in den Umfragen zulegte, hat sich zum Vorwahlkampf seiner Sozialisten bisher nicht geäußert. Bei seiner Verzichtserklärung erwähnte er Valls, den einige seiner Minister als "natürlichen Kandidaten" sahen, mit keinem Wort.
Der frühere Regierungschef plant drei bis vier Wahlkampfauftritte pro Woche bis zur ersten Runde der Vorwahlen am 22. Januar. Dort treten insgesamt acht Kandidaten an, darunter vier Vertreter des linken Parteiflügels. Valls hat in Umfragen die besten Aussichten auf einen Sieg. Ein Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen ist damit allerdings nicht verbunden: Dort dürfte er es in der ersten Runde auf maximal zehn Prozent bringen.

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