Der Patient blutet weiter

BERLIN. Durch den jüngsten Tarifabschluss für die etwa 70 000 Ärzte an den kommunalen Kliniken droht eine Anhebung der Krankenkassenbeiträge. Dieser Ansicht ist zumindest der Bielefelder Gesundheitsökonom Wolfgang Greiner.

"Hauptleidtragende werden die kommunalen Träger sein, doch der Beitragszahler wird sich ebenfalls an den Kosten beteiligen müssen", sagte Greiner im Gespräch mit dem TV. Nach dem neuen Vertrag können die Mediziner mit Gehaltssteigerungen zwischen zehn und 13 Prozent im Monat rechnen. Schon heute ist der Klinikbereich der größte Kostenblock bei den gesetzlichen Krankenkassen. Ihr gesamter Etat lag im Vorjahr bei rund 144 Milliarden Euro. Davon wurden 49 Milliarden Euro für die stationäre Behandlung aufgewendet. Zwar sei das Vergütungsbudget für die Ärzteschaft gedeckelt, in der Praxis könnten die Kliniken jedoch ihre Behandlungsleistungen ausweiten, erläuterte Greiner. "Für solche Leistungen erstatten die Kassen nicht den vollen Preis, doch das ist immer noch besser als nichts." Vor diesem Hintergrund steige auch der Beitragsdruck, sagte Greiner. Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) rechnet vor, dass die Tarifrunde 2006 für sämtliche Krankenhausärzte - auch die an den Uni-Kliniken - rund 1,5 Milliarden Euro zusätzlich kosten wird. Ein Drittel davon resultiert aus dem jüngsten Tarifabschluss. Dabei sollen die Krankenhäuser im kommenden Jahr obendrein noch 750 Millionen Euro sparen. Diese Summe wurde in den Eckpunkten zur Gesundheitsreform festgelegt. Trotz gegenteiliger Appelle ist das Gesundheitsministerium in diesem Punkt nicht zu Nachverhandlungen bereit. "Die Zeche werden am Ende die Versicherten und die Patienten zahlen", prophezeite deshalb ein DKG-Sprecher. "Der Trend zu weniger Zuwendung, mehr Stress und weiterer Arbeitsverdichtung ist eingeleitet." In der regierungsoffiziell bereits veranschlagten Beitragserhöhung von durchschnittlich 0,5 Prozent im kommenden Jahr sind nur die Anhebung der Mehrwertsteuer und die Reduzierung des Steuerzuschusses für die Krankenkassen berücksichtigt. Rein rechnerisch würde der Gehaltszuschlag für die Ärzteschaft weitere 0,15 Prozent kosten. Eine Umwälzung auf die Versicherten lehnen die Krankenkassen freilich rundweg ab. Nach Einschätzung von AOK-Chef Hans-Jürgen Ahrens wird es zu harten Vertragsverhandlungen mit den Landeskrankenhaus-Gesellschaften kommen. Statt Beitragsanhebungen müssten die Kliniken "alle Möglichkeiten" für Einsparungen ausschöpfen, sagte Ahrens. Das ist leichter gesagt als getan. Denn in den Etats der Kliniken entfallen etwa 70 Prozent auf die Personalkosten. Durch den wochenlangen Ärztestreik mussten viele Krankenhäuser ohnehin Einnahmeausfälle zwischen 50 000 und 150 000 Euro pro Tag verkraften. Nun kommen noch die deutlichen Lohnsteigerungen hinzu. "Das kann Konsequenzen bis zur Existenzfrage der Häuser haben", hieß es beim Kommunalen Arbeitgeberverband in Sachsen-Anhalt. Greiner geht ebenfalls davon aus, dass der Tarifabschluss nicht nur auf den Beitrag drückt, sondern auch auf die hier zu Lande immer noch hohe Krankenhausdichte. "Mittelfristig wird es weniger Klinken geben", sagte Greiner.

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