Der Reform-Nebel lichtet sich

BERLIN. Angela Merkel hat gestern noch einmal klargestellt, was auf die Leute mit der Gesundheitsreform zukommt: "Tendenziell wird das System nicht billiger, sondern teurer."

Zu diesem allgemeinen Befund gesellen sich dann auch Details, die zunehmend aus den Verhandlungen zwischen Union und SPD dringen. Zwar versichern alle beteiligten Seiten, dass noch nichts entschieden sei. Aber der Nebel beginnt sich zu lichten. Fest steht bereits eine Fondslösung, bei der die Beiträge nicht mehr wie bisher direkt an die gesetzlichen Kasse, sondern in einen zentralen Topf gehen, aus dem die Assekuranzen für jeden Versicherten einheitliche Zahlungen erhalten. Dadurch könnte sich zwischen den Kassen ein Wettbewerb um mehr Qualität und Effizienz entfalten, anstatt um gut verdienende und gesunde Mitglieder (siehe auch Artikel links). Der Fonds ist aber nur die "Schachtel", wie SPD-Generalsekretär Hubertus Heil kürzlich betonte. Maßgeblich sei der Inhalt. Dazu wurde gestern ein Positionspapier von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) bekannt, das als Basis für die weiteren Koalitionsgespräche dienen soll. Allein bis zum kommenden Dienstag sind noch fünf Experten-Treffen geplant, die sich nach Angaben des Schmidt-Ressorts auf rund 30 Beratungsstunden summieren. Nach der Vorlage müssen sich vor allem Besserverdiener auf Einschnitte gefasst machen. Denn die Beitragsbemessungsgrenze soll kräftig steigen. Gegenwärtig sind maximal 3562,50 Euro eines monatlichen Bruttolohns beitragspflichtig. Wer mehr verdient, muss auf die Differenz keine Beiträge entrichten. Künftig soll die Beitragsbemessungsgrenze auf das Niveau der Rentenversicherung steigen. Sie liegt bei 5250 Euro in den alten und 4400 Euro in den neuen Ländern. Bei einem durchschnittlichen Arbeitnehmeranteil von derzeit 7,5 Prozent (weitere 6,5 Prozent trägt der Arbeitgeber) müsste ein Besserverdiener im Westen monatlich bis zu 127 Euro mehr zahlen. Im Osten läge die zusätzliche Belastung bei maximal 63 Euro. Bis zu dieser Bemessungsgrenze wären auch Beiträge auf Kapitaleinkünfte (z.B. Zinsen) fällig. Dem Vernehmen nach hängt Ulla Schmidt allerdings nicht an dem Modell, wenn die Koalition andere Wege für eine vermehrte Geldbeschaffung findet. Möglich wäre dann auch eine geringere Anhebung der Beitragsbemessungsgrenze. Die Lücke könnte nach Angaben aus Koalitionskreisen durch eine höhere Einkommenssteuer geschlossen werden. Die wurde zwar in rot-grünen Regierungszeiten kräftig gesenkt.Entscheidend ist, wie viele Steuern fließen

Anderseits hatten sich in den letzten Tagen auch führende SPD-Vertreter für eine Entlastung der Arbeitskosten ausgesprochen, was nur über eine verstärkte Steuerfinanzierung der Sozialversicherungsbeiträge möglich ist. Mit einer solchen Lösung lässt sich auch ein brisantes Streitthema in der Koalition entschärfen: Anders als die Genossen drängen CDU und CSU auf einen unbedingten Erhalt der Privaten Krankenversicherung (PKV). Je mehr Steuern ins Gesundheitssystem fließen, desto weniger bräuchte man die PKV strukturell in die Gesundheitsreform einzubeziehen. Schließlich zahlen besonders Privatversicherte hohe Steuern. Nach dem Schmidt-Konzept sollen auch sie in den Gesundheitsfonds integriert werden, was die Union jedoch ablehnt. Zu den ungelösten Problemen gehören auch noch die Modalitäten für den Fall, dass eine Krankenkasse mit den Mitteln aus dem Gesundheitsfonds nicht hinkommt. Nach den Vorstellungen der Ministerin müssten die Assekuranzen dann einen "pauschalen Zusatzbeitrag", also eine Kopfpauschale erheben. Dieser Plan ist in der SPD aber aus ideologischen Gründen verpönt. Hatte sich doch die Union immer für ein Pauschalmodell stark gemacht. Ein alternatives Konzept des SPD-Gesundheitsexperten Karl Lauterbach sieht deshalb vor, den Mehrbedarf über eine prozentuale Beitragsanhebung pro Kassenmitglied zu regeln. Im Gesundheitsministerium gilt die Idee aber als unpraktikabel.

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