Der rote Kurfürst

Einerseits ist er "nur" Präsident einer Landesbehörde. Andererseits dürfte er der einflussreichste Politiker der Region sein. Wenn Josef Peter Mertes, gelernter Lehrer, promovierter Pädagoge, erfolgreicher Abgeordneter und seit 2000 Chef der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion, ein Dienstjubiläum feiert, dann kommt schon mal der Ministerpräsident persönlich zur Urkundenverleihung.

Trier. (DiL) Es soll Leute geben, die dem ehrgeizigen jungen Volksschullehrer Josef Peter Mertes schon bei seiner Einstellung im Jahr 1970 eine beachtliche Karriere vorausgesagt haben. Das war seinerzeit durchaus mutig, galt doch ein Engagement für die SPD, wie es der Handwerker-Sohn in Schweich an den Tag legte, damals in Rheinland-Pfalz keineswegs als optimale Voraussetzung für eine erfolgreiche Laufbahn im öffentlichen Dienst.

Aber Mertes war zu gut und zu fleißig, um ihn zu übergehen, und als eher ideologiefreier Politiker hatte er auch nie Probleme damit, Verbindungen in gegnerische Lager zu knüpfen. Mit Plätzen in der zweiten Reihe gab es sich ohnehin ungern zufrieden, und so war er schon nach sieben Jahren Leiter einer Sonderschule, baute nebenbei seine Promotion und bastelte an seinem politischen Aufstieg, der ihn 1991 in der rheinland-pfälzischen Landtag beförderte - just in dem Moment, als seine Sozis mit Rudolf Scharping die CDU aus der Regierung jagten.

Gewiefter Taktiker auf der einen, fleißiger Aktenfresser auf der anderen Seite: Mit dieser Mischung blieb Mertes auch in Mainz nicht lange Hinterbänkler. Als Chef-Haushälter der SPD zog er seine Strippen, mit seinem guten Händchen für öffentliche Selbstdarstellung sorgte er parallel dafür, dass sein Engagement nicht gar zu sehr im Verborgenen blühte. Schon wurde er für kommende Minister-Ämter gehandelt, da schickte ihn Kurt Beck als Präsidenten der ADD nach Trier - ins Kurfürstliche Palais, den Amtssitz der alten Regional-Herrscher. Ein Ambiente, in dem sich der Bürger Mertes unübersehbar wohl fühlt, auch wenn er manche langgehegten und gepflegten äußerlichen Insignien der Machtausübung schnell ins Materiallager verbannte.

Dass er durchaus gerne herrscht, bezeugen hinter vorgehaltener Hand all die hochmögenden Oberbürgermeister und Landräte, die mit ihren defizitären Haushalten kleinlaut um seine Genehmigung antichambrieren müssen. Ein bisschen auf die Seite der Obrigkeit gewechselt ist er schon, und auch vom Reform-eifer des einstigen "Anti-Bürokraten" ist nicht mehr viel zu spüren, wenn er sich wieder mal darüber freut, noch ein paar Planstellen für seine Behörde herausgeschlagen zu haben.

Mertes' im Laufe der Jahre angesammeltes Selbstbewusstsein wird auch deutlich im Umgang mit dem allgegenwärtigen Ministerpräsidenten. Es gibt nicht viele, die mit dem Patriarchen Kurt Beck vergleichbar auf Augenhöhe verkehren. Nächstes Jahr wird Mertes 65, pünktlich zur Landtagswahl. Aber falls danach der frisch aufgetragene Lack bei der CDU ab ist und Beck weiter regiert, würde wohl kein Mertes-Kenner ausschließen, dass der eine alte Fuchs den anderen überredet, noch ein, zwei Jährchen dranzuhängen.

Die Weichen dafür könnten sie heute stellen: Kurt Beck reist persönlich aus Mainz an, um die Jubiläums-Urkunde für 40 Jahre im Öffentlichen Dienst zu überreichen. Wobei Mertes, auf einen Durchschnittsbeamten gerechnet, von der Arbeitszeit her locker auf 80 Dienstjahre kommt. Der ADD-Chor singt dazu Satirisches von Ringelnatz. Vorgesehene Gesamtdauer inklusive zweier Reden: 30 Minuten. Eine Feier ganz nach dem Geschmack des Jubilars.

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