Der "rote Sheriff" legt den Stern beiseite

BERLIN. (fie) Heute um elf Uhr hat Otto Schily noch einmal einen großen Auftritt. Mit 73 Jahren ist er der Älteste unter den 614 Abgeordneten im 16. Deutschen Bundestag. Damit steht dem Innenminister die ehrenvolle Aufgabe zu, als Alterspräsident die Sitzung zu eröffnen.

Nach dem engen Fahrplan der konstituierenden Sitzung des neuen Bundestages steht ihm eine Redezeit von 30 Minuten zu. Um 16.30 überreicht Horst Köhler im Gästehaus des Bundespräsidenten den scheidenden Ministern der rot-grünen Koalition die Entlassungsurkunden. Quasi ,,geschäftsführend" bleiben sie bis zur Vereidigung der neuen Kanzlerin im Amt. Doch offiziell endet die wechselvolle Laufbahn von Otto Schily und eine der spektakulärsten Ministerkarrieren heute. Bis zuletzt hatte Schily gehofft, auch dem Kabinett der großen Koalition unter einer Kanzlerin Merkel angehören zu können. Bis dann im Koalitionsschacher klar war, dass das Amt des Innenministers von der CDU besetzt wird. Wolfgang Schäuble, das steht seit gestern fest, soll sein Nachfolger werden. Künftig wird Schily dem Bundestag somit als einfacher Abgeordneter angehören. Eigentlich hatte Otto Schily sich ja schon 2002 aus dem Kabinett verabschieden wollen. Doch Kanzler Schröder überredete den profilierten SPD-Politiker mit der Cäsaren-Frisur, Innenminister zu bleiben. Eine richtige Entscheidung, wie sich schnell herausstellen sollte. Schily beherrschte seinen Laden, war kreativ, griff entschieden durch, wenn es aus seiner Sicht galt, Sicherheitslücken zu stopfen. Bald hatte er seinen Spitznamen weg: ,,Eiserner Otto" oder ,,roter Sheriff". Otto Schily hat eine wechselhafte Laufbahn hinter sich. Nach dem Jura- und Politik-Studium ließ er sich in Berlin als Anwalt nieder und profilierte sich schnell als eine Art Star-Verteidiger der linken Szene. Im Baader-Meinhoff-Prozess in Stuttgart-Stammheim war er Anwalt von Gudrun Ensslin. In diesen wilden Jahren bezeichnete er sich selbst als ,,liberalen Kommunisten". Schily trat 1980 der neuen grünen Partei bei. Doch schon 1989 verließ er die Grünen wieder, um 1990 für die SPD in den Bundestag einzuziehen. Nie war Schily, der Sohn eines Hüttendirektors aus Bochum, ein Mann des Parteiapparats. Mit dem Wahlsieg von Rot-Grün kam 1998 seine große Stunde. Kanzler Schröder machte ihn zum Innenminister, im Rentenalter von 66 Jahren. Am Ende seiner Amtszeit gilt er als einer der stärksten Minister in Schröders Kabinett, der behaupten konnte: ,,Law and Order sind sozialdemokratische Werte."

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