Der Ruf der Arbeitgeber

Der Mindestlohn hat das Potenzial, zum politischen Schlüsselthema des kommenden Jahres zu werden. Wenn nun auch einzelne Arbeitgeberverbände lautstark nach branchenspezifischen Lohnuntergrenzen rufen, dann sollte das der Union zu denken geben.

Schließlich begreift man sich dort gern als Anwalt von Unternehmer-Interessen. Die neue Facette in der Debatte zeigt, dass der Mindestlohn keine populistische Eingebung von SPD und Gewerkschaften ist. Auch Betriebseigentümer setzen auf einen Handlungsrahmen im wirtschaftlichen Wettbewerb, der nicht die niedrigsten Löhne zum obersten Gebot erhebt, sondern Innovationen und Qualität. Im Idealfall ist es natürlich besser, wenn sich die Politik aus der Lohnfindung heraushält. Doch wenn immer mehr Branchen über tariflose Zustände klagen, braucht es Spielregeln, um den Sozialstaat nicht zu überfordern: Je mehr Menschen von ihrem Lohn nicht mehr leben können, desto mehr müssen die Steuerzahler mit ergänzenden Transfers einspringen. Dem politischen Theater von einer Speziallösung zur nächsten wäre freilich die Spitze genommen, würde sich die Große Koalition zügig über eine flächendeckende Lohnuntergrenze für alle einigen. In Großbritannien, das gewiss nicht an sozialistischer Überregulierung leidet, hat dazu eine unabhängige Expertenkommission das Vorschlagsrecht. Diese Praxis hat sich offenbar bewährt. Warum sollte sie nicht auch in Deutschland zum Zuge kommen? Ein niedriger Mindestlohn zur Sicherung des Existenzminimums würde obendrein verhindern, dass große Unternehmen wie die Post AG ihr Monopol festigen. Die Union muss endlich über ihren Schatten springen.