Der Schlusspunkt naht

Mehr als acht Jahre lang hat die Führung der SPD am neuen Grundsatzprogramm gewerkelt. Gestern nun präsentierte der amtierende Chef, Kurt Beck, das Werk, an dem die 90-köpfige Programmkommission noch bis zum Vorabend kleinere Änderungen vorgenommen hatte.

Berlin. (vet) Die Grundlage der vorläufigen Fassung bildete der sogenannte "Bremer Entwurf" vom Jahresanfang. Er war noch unter Federführung des Kurzzeit-Vorsitzenden Matthias Platzeck entstanden. Augenfälligster Unterschied zu damals: Das Papier wurde von mehr als 60 auf 36 Seiten reduziert. Aber auch die politischen Akzente haben sich verschoben. Wo Platzecks Grundidee eines "vorsorgenden Sozialstaats" als "neues Leitbild" dominierte, wird der Begriff nur noch als Weiterentwicklung des herkömmlichen Sozialstaats charakterisiert. Dafür kommt der "demokratische Sozialismus" zu unverhofften Ehren. Er stehe "in der stolzen Tradition" der Partei, heißt es gleich in der Einleitung des Programms. Von einem Bruch zu seinem Vorgänger oder gar einem Linksruck der Partei wollte Beck nichts wissen. Der einstimmig beschlossene Entwurf sei "nicht links, nicht rechts, sondern sozial verantwortlich" geworden. Als Adressat des Papiers nannte der Rheinland-Pfälzer die "solidarische Mehrheit" im Land. Im ursprünglichen Text war von einer "solidarischen Mitte" die Rede gewesen. Bei der Bundestagswahl 1998 hatte SPD-Spitzenkandidat Gerhard Schröder noch die "neue Mitte" im Visier. So ändern sich eben die Zeiten. "Die SPD ist linke Volkspartei", stellte Beck dann auch unumwunden fest. Der "vorsorgende Sozialstaat" sei demnach "keine Abwendung von Menschen, die Hilfe brauchen", betonte der Parteichef. Damit kam Beck den Bedenken von Teilen der SPD entgegen, wonach eine Vorbeugung zu Lasten der sozialstaatlichen Absicherung gehen könne. Im Programmtext heißt es, der vorsorgende Sozialstaat begreife die "Bildung als zentrales Element der Sozialpolitik". In einem weiteren Kapitel unter der Überschrift "Gute Arbeit für alle" hält die SPD am "Ziel der Vollbeschäftigung" fest. Tarifautonomie und Mitbestimmung seien ein hohes Gut. Zugleich werden "existenzsichernde Mindestlöhne in Deutschland und Europa" gefordert. Dass sich die Linkspartei unter ihrem ehemaligen SPD-Chef Oskar Lafontaine als wahrer Hüter des "demokratischen Sozialismus'" versteht, ficht Beck nicht an. Der "sogenannte Mitbewerber" habe überhaupt kein Programm. Er sei in der Frage des Begriffs gegen eine "defensive Haltung, weil andere ihn missbraucht haben", so Beck. Für den aktuellen Entwurf, der das "Berliner Programm" von 1989 ablösen soll, lagen der Programmkommission fast 950 Änderungsanträge der Parteibasis vor. Endgültig verabschiedet werden soll das Papier auf dem SPD-Bundesparteitag Ende Oktober in Hamburg.

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