Der Soli regt die Kommunen auf

Trier · Der Widerstand gegen den Kommunen-Soli wächst: Angesichts leerer Kassen sind auch in der Region Trier immer weniger Städte und Gemeinden bereit, sich weiterhin an den Kosten der Wiedervereinigung zu beteiligen.

 Die DDR ist längst Geschichte - und dass der "Soli" wie in Stein gemeißelt erscheint, wollen viele nicht mehr hinnehmen.

Die DDR ist längst Geschichte - und dass der "Soli" wie in Stein gemeißelt erscheint, wollen viele nicht mehr hinnehmen.

Foto: Marc Tirl (dpa-Zentralbild)

Trier. Es war im Januar 1995, als in der Eifelgemeinde Arzfeld erstmals ein Politiker gegen die "Abgabe Ost" mobilmachte. Unter anderem durch den Fonds Deutsche Einheit werde den Gemeinden der letzte Rest kommunaler Selbstverwaltung genommen, meinte seinerzeit der damalige Arzfelder Ortsbürgermeister und SPD-Politiker Ernst Hitzges. Knapp 19 Jahre später sind die handelnden Personen zwar andere, doch an der Kritik hat sich kaum etwas geändert. "Wir ärgern uns jedes Jahr aufs Neue", sagt Ortsbürgermeister Alfons Kockelmann, "dass wir so viele Dinge in der Gemeinde haben, die wir einfach nicht finanzieren können." Schuld daran, da sind sich die Arzfelder Gemeinderatsmitglieder weitgehend einig: die finanziellen Folgen des Fonds Deutsche Einheit (siehe Stichwort). Bis zum Jahr 2019 müssen die westdeutschen Bundesländer dafür jährlich 2,6 Milliarden Euro aufbringen. 150 Millionen Euro jährlich muss Rheinland-Pfalz beisteuern.

Um den Betrag aufzubringen, erhebt das Land eine Umlage, deren Höhe sich an der Steuerkraft der Kommunen orientiert. Die Verbandsgemeinde Kell am See zahlt etwa 20 000 Euro im Jahr, die Verbandsgemeinde Bitburg-Land 53 000 Euro und die Stadt Trier knapp 1,6 Millionen Euro. Dagegen sind die 4000 Euro, die die Ortsgemeinde Arzfeld für die Kosten der Wiedervereinigung jährlich berappen muss, eher gering. Und dennoch haben die Eifeler Kommunalpolitiker beschlossen, den mit unschöner Regelmäßigkeit wiederkehrenden finanziellen Aderlass nicht länger klaglos hinzunehmen. Wenn in den nächsten Wochen der Bescheid des Statistischen Landesamts eintrudelt, in dem die Gemeinde für dieses Jahr zur Kasse gebeten wird, will Arzfeld dagegen vor Gericht ziehen. "Dann reichen wir Klage ein", betonte gestern noch einmal Verbandsbürgermeister Andreas Kruppert.

Die Erfolgsaussichten dürften sich in Grenzen halten. Vor fünf Jahren hatte das Koblenzer Oberverwaltungsgericht die Klagen von fünf Gemeinden gegen ihre finanzielle Beteiligung am Fonds Deutsche Einheit abgewiesen und die Zahlungen für rechtmäßig erklärt. In Nordrhein-Westfalen dagegen kippte der Verfassungsgerichtshof das entsprechende Gesetz, weil nicht auszuschließen sei, dass die Kommunen über Gebühr zahlen müssten.

Immerhin dürften sich die Arzfelder Kommunalpolitiker zumindest moralischer Unterstützung vieler Kollegen sicher sein. Der Trierer Oberbürgermeister Klaus Jensen spricht sich etwa dafür aus, die Kriterien für die Mittelvergabe zu ändern. Nicht mehr die geografische Lage einer Kommune dürfe entscheidend sein, sondern die Bedürftigkeit. Forderungen, die andernorts in der Region unterstützt werden. Auch der Mainzer Finanzminister Carsten Kühl (SPD) befürwortet andere Verteilungskriterien. "Wir brauchen eine finanzielle Unterstützung der finanzschwachen Kommunen durch eine Neuordnung der föderalen Finanzbeziehungen", sagt Kühl unserer Zeitung.

Bis die Arzfelder und andere Kommunen von einer solchen Neuregelung profitieren werden, dürften allerdings noch etliche weitere Jahre vergangen sein.Extra

Der Solidaritätszuschlag (Soli)wurde kurz nach der deutschen Wiedervereinigung eingeführt. Die seit Juli 1991 zunächst für nur ein Jahr erhobene Steuer von 3,75 Prozent auf die Einkommen- und Körperschaftsteuer sollte den wirtschaftlichen Aufbau in den neuen Ländern finanzieren. Um Lücken im Haushalt zu stopfen, führte die schwarz-gelbe Koalition den Zuschlag 1995 wieder ein. Seit 1998 liegt der "Soli" bundesweit einheitlich bei 5,5 Prozent. Die Einnahmen liegen bei jährlich 12 bis 13 Milliarden Euro. seyExtra

Der Fonds Deutsche Einheit wurde 1990 als Instrument für Finanzhilfen an die ostdeutschen Bundesländer eingerichtet. Das Geld wurde überwiegend durch Kredite beschafft. Mit Einbeziehung Ostdeutschlands in den Länderfinanzausgleich entfielen ab 1995 Zahlungen aus dem Fonds. Seitdem dient er zur Abwicklung früherer Schulden durch Bund, Länder und Kommunen. Das Geld, das die Gemeinden jetzt zahlen, fließt nicht mehr in die ostdeutschen Länder, sondern wird verwendet, um den Kredit abzutragen.

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