Der Spritverbrauch soll drastisch sinken

Brüssel · Brüssel will für Neuwagen Einsparungen von bis zu 35 Prozent verordnen. Eine verpflichtende Quote für E-Autos ist offenbar vom Tisch.

Die EU-Kommission wird heute ihren Vorschlag zur Regulierung des CO2-Ausstoßes neuer PKW für den Zeitraum 2021 bis 2030 vorlegen. Der Spritverbrauch, der in Gramm an ausgestoßenem CO je gefahrenen Kilometer gemessen wird, soll weiter sinken. Zugleich sollen Anreize für die Hersteller gesetzt werden, mehr E-Autos und andere emissionsfreie Fahrzeuge zu verkaufen.

Welche Vorgaben plant die Kommission beim Spritverbrauch?

Der CO-Ausstoß neu zugelassener PKW soll zwischen 2021 und 2030 um weitere 25 bis 35 Prozent sinken. Maximal wird die Kommission heute eine Reduktion von 30 Prozent bis 2030 vorschlagen. Damit verabschiedet sich die Kommission von der bisherigen Systematik bei der Regulierung. Bislang wurden die Obergrenzen in Gramm angegeben. Die Abkehr von der Grammberechnung hängt damit zusammen, dass der alte Labortest zur Ermittlung von Verbrauch und Schadstoffausstoß durch den neuen WLTP-Test ersetzt wird, der ehrlichere Werte liefert. In der laufenden Regulierung muss die Branche bis 2021 erreichen, dass alle neuen PKW im Schnitt nicht mehr als 95 Gramm CO je gefahrenen Kilometer ausstoßen. Es gelten für jeden Hersteller individuelle Obergrenzen. Daimler und BMW haben für 2021 die Zielmarke von je 101 Gramm für die gesamte Flotte, Volkswagen und General Motors (Opel) 96 Gramm, Ford, Toyota und Peugeot 93 Gramm.

Was bedeutet die prozentuale Reduzierung konkret?

Sie muss noch ausbuchstabiert werden. Viele Hersteller werden ihre Zielmarke für 2021 verfehlen. Grund dafür ist auch ein verändertes Käuferverhalten als Folge des Abgas-Skandals: Viele Dieselfahrer steigen auf Benziner um, weil sie Fahrverbote in den Städten fürchten. Unklar ist, ob die prozentuale Reduzierung an der Basis des tatsächlichen CO2-Ausstoßes im Jahr 2021 ansetzt oder an der Zielmarke von branchenweit 95 Gramm. Es gilt als wahrscheinlich, dass die Kommission den Herstellern für das Jahr 2025 ein Etappenziel setzt. Hersteller, die dieses Ziel verfehlen, sollen Strafzahlungen leisten. Die Branche kämpft gegen ein Zwischenziel. Sie argumentiert, dass bei PKW-Produktionszyklen von rund sieben Jahren ein Umsteuern technisch so schnell nicht möglich sei.

Kommt eine Quote für E-Autos?

Wohl nicht. Entgegen anderslautenden Meldungen will die Kommission den Herstellern nicht vorschreiben, welchen Anteil E-Fahrzeuge an ihren Verkäufen haben. Als wahrscheinlich gilt, dass die Kommission Zielmarken für emissionsfreie Fahrzeuge ausgibt. Das können Fahrzeuge mit Elektro-Antrieb sein, auch Brennstoffzellentechnologie oder der Einsatz synthetischer Kraftstoffe sind möglich. An ein Bonus-Malus-System ist nicht gedacht. Wohl aber daran, dass Hersteller, die besonders viele emissionsfreie Fahrzeuge verkaufen, Erleichterungen bei den CO-Regeln bekommen.

Warum wird es keine E-Auto-Quote geben?

Die Kommission will der Automobilindustrie keine Zukunftstechnologie vorschreiben. Zudem heißt es, dass die Dinge in der EU anders liegen als etwa in China und Kalifornien, wo es verpflichtende E-Auto-Quoten gibt. Der EU fehlten die Kompetenzen, um der Elektromobilität in den Mitgliedstaaten zum Durchbruch zu verhelfen. Es sei nicht Sache von Brüssel, sondern von den Mitgliedstaaten, eine Infrastruktur für Ladestationen oder ein staatliches Anreizsystem zum Kauf von E-Autos aufzubauen.

Wird der EU-Vorschlag verbindlich?

Das ist noch nicht entschieden. Nun sind die Gesetzgeber in der EU am Zug. Das EU-Parlament und der Rat, also das Gremium der Mitgliedstaaten. Klar ist, dass am Ende ein Kompromiss gefunden werden muss. Schon zeichnet sich eine vertraute Frontstellung ab: Sieben EU-Länder ohne nennenswerte Automobilindustrie, darunter die Niederlande, Österreich und Belgien, fordern die Kommission zu einer strengeren Regulierung auf. Die Bundesregierung sowie die Slowakei, Spanien und Italien dürften hinter den Kulissen versuchen, die Pläne zu entschärfen. Es ist bekannt, dass sich Kanzlerin Angela Merkel persönlich in die Verhandlungen eingeschaltet hat, als seinerzeit die CO-Regulierung für 2021 festgelegt wurde, um die Interessen der deutschen Autobauer zu wahren.

Wie hat sich die CO2-Regulierung entwickelt?

Schon in den 1990er Jahren gab es Forderungen, die EU sollte den CO2-Ausstoß begrenzen. Über längere Zeit gelang es der Autolobby aber, eine Regulierung zu verhindern. So haben sich die deutschen Hersteller 1995 verpflichtet, den Kraftstoffausstoß bis 2005 um 25 Prozent zu reduzieren. Dieses Versprechen haben die Hersteller nach eigenen Angaben eingehalten. Zwischen 1978 und 1995 sei der Kraftstoffverbrauch der Fahrzeuge deutscher Marken bereits im Schnitt um 40 Prozent gedrückt worden. 1998 haben auch die europäischen Hersteller eine Selbstverpflichtung abgegeben. Diese Latte wurde aber gerissen. Seit 2009 gibt es eine Regulierung in der EU: Der CO-Ausstoß von Neuwagen musste bis 2015 auf einen Wert von durchschnittlich 130 Gramm reduziert werden. Jeder Hersteller hatte eine spezifische Zielmarke zu erfüllen, je nach dem Gewicht der jeweiligen Flotte. Für 2020 gilt die durchschnittliche Zielmarke von 95 Gramm. 2020 müssen jeweils 95 Prozent der Neuwagenflotte eines Herstellers die individuelle Zielmarke erreichen, 2021 dann die gesamte Flotte.

MeinungSchicksalstag

Der heutige Mittwoch könnte der Schicksalstag für die Schlüsselbranche der deutschen Industrie werden. Die EU-Kommission wird Vorschläge unterbreiten, den Spritverbrauch von PKW und Transportern bis 2030 drastisch zu reduzieren.

Zudem soll der Anteil von sauberen Fahrzeugen, vor allem E-Autos, unter den künftigen Neuwagen kräftig steigen. Für die Zukunft der Automobilbranche ist alles drin: Bei einer zu scharfen Gangart durch die EU-Kommission könnten die Fahrzeuge der gehobenen Mittelklasse, mit denen die deutschen Hersteller bis heute gutes Geld verdienen, in wenigen Jahren Ladenhüter werden. Andererseits tut der Branche vielleicht ein Impuls der Regulierung ganz gut: Die deutschen Hersteller haben zu lange auf den Verbrennungsmotor gesetzt. Bei der Batterietechnik sind die Asiaten weiter. Und der große Konkurrent in den USA verdient zwar kein Geld mit seinen E-Autos. Doch er hat es immerhin geschafft, E-Autos trendig zu machen. Das kann man von den europäischen Marken nicht behaupten. Sie haben immer noch vor allem Benzin und Diesel im Blut. Da kann es nützlich sein, wenn die EU jetzt die Hersteller über eine ambitionierte Regulierung dazu zwingt, bei der Zukunftstechnologie besser zu werden. Dabei ist nur klar, dass sich die Mobilität in der Zukunft von den fossilen Brennstoffen verabschieden wird. Ob sich das E-Auto, die Brennstoffzelle oder synthetische Kraftstoffe am Ende durchsetzen, das ist derzeit noch nicht auszumachen. Der Vorschlag der Kommission ist nicht das letzte Wort. Bis die CO{-²}-Regeln endgültig feststehen, werden noch das Parlament und die in dieser Frage selbstbewussten Mitgliedsländer eingebunden. Wichtig ist, dass die Industrie bald Klarheit hat, wohin die Reise geht.

nachrichten.red@volksfreund.de

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