Der Staat macht Plus: Wohin mit dem vielen Geld?

Wiesbaden/Berlin · Die Verlockung ist groß, im Wahljahr den Bürgern Geschenke zu machen. Ein Rekordüberschuss schürt die Begehrlichkeiten.

Wiesbaden/Berlin (dpa) Der deutsche Staat schwimmt im Geld. Bund, Länder, Gemeinden und Sozialkassen haben im vergangenen Jahr fast 24 Milliarden Euro mehr eingenommen als ausgegeben - so viel wie nie seit der Wiedervereinigung. Das dürfte die Debatte um die Verwendung von Haushaltsüberschüssen im Wahljahr wieder anheizen.
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) bremst allerdings Begehrlichkeiten: "Also ich mach' mir keine Sorge, dass wir nicht wüssten, was wir Sinnvolles mit dem Geld tun können, das vielleicht vorhanden ist." Gibt es überhaupt Spielraum für Investitionen in Straßen und Schulen oder für Steuerentlastungen der Bürger?
Europas größte Volkswirtschaft profitiert aktuell von der guten Lage auf dem Arbeitsmarkt und der florierenden Konjunktur. Steuern und Sozialbeiträge sorgen für gut gefüllte Staatskassen - auch wenn Mehrkosten für die Versorgung von Flüchtlingen anfallen.
Auch die vor allem in Deutschland umstrittene ultralockere Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) sorgt für Entlastung. Wegen der niedrigen Zinsen kann sich der Staat günstiger verschulden. Zum Teil legten Investoren im vergangenen Jahr sogar drauf, wenn sie als besonders sicher geltende deutsche Staatsanleihen kauften.
Ifo-Konjunkturexperte Timo Wollmershäuser beziffert den Rückgang der Zinsausgaben seit 2010 auf etwa 20 Milliarden Euro. Er fordert, die Überschüsse durch eine Senkung der Einkommenssteuer insbesondere bei niedrigen Einkommen zurückzugeben. Damit könnten Einbußen der Sparer durch die Niedrigzinsen zumindest teilweise ausgeglichen werden.
Der Chef des Außenhandelsverbands BGA, Anton Börner fordert, Deutschland müsse Impulsgeber in der Europäischen Union bleiben. "Dazu bedarf es Investitionen in die Infrastruktur, verstärkte Anreize für private Investitionen und vor allem auch eine Beteiligung aller Bürger am Erfolg durch steuerliche Entlastungen."

Doch was würde es bringen, mehr Geld beispielsweise in Straßen, Schulen oder Kitas zu stecken? Die Bertelsmann-Stiftung jedenfalls kommt zu dem Ergebnis, dass höhere Investitionen zwar kurzfristig die Bilanz des Staatshaushaltes belasten. Langfristig könnte die Wirtschaft dadurch aber stärker wachsen. "Durch die geringe öffentliche Investitionstätigkeit bleibt Deutschland hinter seinen wirtschaftlichen Möglichkeiten zurück und setzt den Wohlstand kommender Generationen aufs Spiel", warnt Vorstandschef Aart De Geus.

Eine nachhaltige Haushaltspolitik dürfe sich nicht nur am Schuldenstand orientieren, "vielmehr müssen die Wachstums- und Wohlstandspotenziale der Bundesrepublik gefördert werden".
Das ist in der Koalition allerdings vorerst vom Tisch. Die SPD wollte den Milliarden-Überschuss des Bundes für mehr Investitionen nutzen, die Union den Schuldenberg von gut 1,27 Billionen Euro abbauen. Weil sich die Koalition nicht einigen konnte, fließen die 6,2 Milliarden automatisch in die Rücklage zur Bewältigung der Flüchtlingskosten. Das Finanzpolster ist nun mit gut 18 Milliarden Euro gefüllt. Die Überschusszahlen weichen von den Daten des Statistischen Bundesamtes wegen unterschiedlicher Berechnungsmethoden ab.
Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) will auch in diesem und nächsten Jahr keine neuen Schulden machen und warnt vor teuren Wahlgeschenken.EIN DRASTISCHER EINBRUCH DES BUNDESBANKGEWINNS


Extra

reißt unerwartet ein Milliardenloch in den Bundeshaushalt. Die Notenbank überweist für das Geschäftsjahr 2016 nur 399 Millionen Euro nach Berlin. Geplant hatte Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) wie in den Vorjahren mit 2,5 Milliarden Euro - mindestens. Bundesbank-Präsident Jens Weidmann: "Wir müssen uns darauf einstellen, dass wir in der Zukunft weniger Gewinn oder sogar Verluste machen - und für diese Zeit sorgen wir jetzt maßvoll vor."

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