Der Tabubrecher: Der französische Wirtschaftsminister im Porträt

Paris · Der französische Wirtschaftsminister macht mit seinen forschen Vorschlägen Schlagzeilen. Ob 35-Stunden-Woche oder Währungsunion – der 37-Jährige schreckt vor nichts zurück.

Emmanuel Macron passt nicht in irgendeine Schublade. Der französische Wirtschaftsminister gehört der sozialistischen Regierung an, ohne Parteimitglied zu sein. Das eigene Lager reagiert mit Buh-Rufen, der politische Gegner mit Applaus auf seine Ideen. Die konservative Zeitung "Le Figaro" ließ sich vergangene Woche zu einem ungewöhnlichen Lob hinreißen: "Der beste rechtsbürgerliche Wirtschaftsminister, den die Linke je hatte", schrieb das Blatt nach der Rede des 37-Jährigen beim Treffen des Arbeitgeberverbandes Medef.

Da hatte der frühere Rothschild-Banker, den die Unternehmer wie einen Rock-Star feierten, erneut die den Sozialisten heilige 35-Stunden-Woche in Frage gestellt. "Die Linke hat vor langer Zeit geglaubt, dass es Frankreich besser gehen würde, wenn es weniger arbeitet." Eine klare Kritik an der Begrenzung der Wochenarbeitszeit, die im Jahr 2000 als große sozialistische Errungenschaft eingeführt wurde.

Beim Parti Socialiste, der sich am Wochenende in La Rochelle traf, kam der Vorstoß des früheren Wirtschaftsberaters von Präsident François Hollande gar nicht gut an. Macron, war beim traditionellen Sommertreffen nicht anwesend. Doch als Regierungschef Manuel Valls in seiner Abschlussrede den Namen des blonden Sonnyboys nannte, reagierte das Publikum mit Pfiffen. Vor allem die Parteilinken bekämpfen den Unternehmerfreund, der mit Arbeitgeberpräsident Pierre Gattaz per Du ist. Ihre Gegenstimmen drohten im Februar das nach Macron benannte Gesetz zur Ankurbelung der Wirtschaft in der Nationalversammlung zu Fall zu bringen. Valls musste deshalb die "Loi Macron" ohne Abstimmung durchdrücken.

"Die Starken müssen helfen"

Macron, der vor einem Jahr die Nachfolge des rebellischen Parteilinken Arnaud Montebourg antrat, könnte nun Spekulationen zufolge auch das Ressort des Arbeitsministers zugeschlagen bekommen. Ein Szenario, das dem PS gar nicht behagt. Doch den Franzosen gefallen die Ideen des studierten Philosophen, der mit seiner 20 Jahre älteren früheren Französischlehrerin Brigitte Trogneux verheiratet ist. 67 Prozent seiner Landsleute ziehen den bekennenden Wirtschaftsliberalen dem Sozialisten alter Schule Cambadélis vor.

Doch mit seinen Ideen eckt der Jungstar der französischen Politik, der sich noch nie einer Wahl stellte, auch im Ausland an. So zum Beispiel, als er im Oktober vorschlug, Deutschland solle mit 50 Milliarden Euro Investitionen die europäische Wirtschaft ankurbeln. Am Montag folgte eine weitere der typischen provokanten Forderungen: "Eine Währungsunion ohne Finanzausgleich - das gibt es nicht. Die Starken müssen helfen", sagte Macron im Interview mit der "Süddeutschen Zeitung". Dass die Idee der von Deutschland abgelehnten Transferunion Tabubrüche verlangt, gibt Macron selbst zu. Doch um Tabus hat der Minister sich noch nie geschert.

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