Der Tiger im Tank wird zur Feldmaus

Noch mehr Raps im Tank: Regierung, Autohersteller und Mineralölindustrie haben sich auf eine Zielplanung für den Einsatz von Biosprit geeinigt. Bis 2010 soll die Beimischung von jetzt fünf Volumenprozenten auf zehn Prozent erhöht werden.

Berlin. Die Einigung, die jetzt von Regierung und Parlament in diverse Verordnungen und von der Industrie in technische Normen gegossen werden muss, bedeutet vor allem für die Landwirtschaft eine klare Perspektive. Bis 2020 sollen sogar 20 Prozent des Gesamtverbrauchs an Benzin und Diesel aus Biomasse kommen - dann allerdings mit Hilfe neuer, synthetischer Herstellungsverfahren."Mit der Politik der Flächen-Stilllegungen wird Schluss sein", betonte Agrarminister Horst Seehofer (CSU) gestern in Berlin. Der Anteil der für die Energiewirtschaft genutzten Agrarflächen von derzeit 13 Prozent werde sich mindestens verdoppeln. Umweltminister Sigmar Gabriel (SPD) wies auf die vielen Arbeitsmöglichkeiten für Ingenieure und Techniker hin, die besonders die künstliche Herstellung von Biosprit bieten werde. Diese Kraftstoffe der "zweiten Generation" sind derzeit erst in der Entwicklung. Ziel ist es, praktisch alle pflanzlichen Reste, auch Stroh und Holz, künstlich in Benzin umzuwandeln. Bis 2015 soll das serienreif sein. Das Verfahren heißt BTL, bimass to liquid. Die Automobilindustrie hofft sehr auf diesen Kraftstoff, wie Verbandspräsident Matthias Wissmann betonte. Denn mit ihm fallen die derzeitigen technischen Grenzen einer Beimischung fast komplett weg. Zwei Hersteller beteiligen sich schon an einer Pilotanlage in Freiberg (Sachsen). Gabriel und Seehofer betonten, dass die Erhöhung der Beimischungsanteile bis 2010, die noch mit herkömmlichem Biosprit aus Raps und anderen Ölpflanzen erfolgen soll, keine Konkurrenz zur Herstellung von Nahrungsmitteln bedeute. Naturflächen sollen nicht zerstört werden

Zudem will die Regierung mit einer "Nachhaltigkeitsverordnung" sicherstellen, dass für das Ökobenzin nicht unökologisch irgendwo in der Welt Naturflächen zerstört werden. Es wird ein System mit Nachhaltigkeitszertifikaten eingeführt. In die CO{-2}-Bilanz des Verkehrs soll der Biosprit nur "netto" einfließen. Der Ausstoß bei der Herstellung wird also vorher abgezogen. Die europäische Automobilindustrie muss den durchschnittlichen CO{-2}-Ausstoß ihrer Neufahrzeuge bis 2012 auf 120 Gramm pro Kilometer senken (von derzeit rund 172 in Deutschland). Die Absenkung auf 130 Gramm soll dabei mit technischen Mitteln im Auto erreicht werden; die letzten zehn Gramm soll die Nutzung von BioTreibstoff bringen. Bei Ottomotoren ist die aktuell beschlossene erhöhte Beimischung technisch unproblematisch. Bei Dieselaggregaten besteht sie aus sieben Prozent Biodiesel und drei Prozent hydrierten Pflanzenölen. Für etwa 375 000 Altfahrzeuge, die diese Kraftstoffe nicht tanken können, soll bis 2016 an rund 1000 zusätzlichen Zapfsäulen ein besonderes Gemisch aus Super Plus und Bioethanol angeboten werden. Deutschland deckt derzeit 6,3 Prozent seines Spritbedarfs aus erneuerbaren Quellen und hatte das für 2010 angepeilte EU-Ziel von 5,7 Prozent bereits im Jahr 2006 erreicht.

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