Der Umfang des Schadens

Vor einem Jahr gab US-Präsident George W. Bush den Befehl zum Einmarsch in den Irak - ein Präventivkrieg, der nach der offiziellen Definition des Weißen Hauses Bestandteil des weltweiten Kampfes gegen den Terrorismus sein und nicht nur die USA, sondern auch die Verbündeten sicherer machen sollte.

Die Zweifel am Sinn und der Begründung der Aktion, die schon die Debatte vor dem UN-Sicherheitsrat begleiteten, sind dabei so stetig gewachsen wie die Zahl der mit der Invasion verbundenen Opfer. Und vor allem eine Frage verlangt Antwort: War dieser Krieg ein sinnvoller Schachzug im Gesamtkonzept der Antiterror-Anstrengungen Amerikas, oder diente er, wie es vor allem in Europa empfunden wird, vorwiegend der Begleichung alter Rechnungen und der Expansion wirtschaftlicher Interessen? Fest steht, dass es bisher keine schlüssigen Belege für eine Kooperation zwischen Saddam Hussein und El Kaida gibt. Fest steht ebenfalls, dass die Suche nach Massen-Vernichtungswaffen des Despoten bislang erfolglos verlief. Daraus jedoch grundsätzlich den Vorwurf der "Kriegslüge" abzuleiten, erscheint allein schon deshalb gewagt, weil auch andere westliche Geheimdienste bis zuletzt an illegale Waffenprogramme Bagdads glaubten - und die Kernfrage vor der Uno ja war, mit welchen Mitteln man dieser Bedrohung begegnen solle. Eine andere Frage ist jedoch, in welchem Umfang Washington die eigene Position durch die unsaubere, weil ungenaue oder bewusst irreführende Präsentation von Erkenntnissen verbesserte, um damit einer militärischen Auseinandersetzung anstelle einer diplomatischen Krise und weiteren Inspektionen den Vorzug geben zu können. Vor allem hier erscheint der Vorwurf der mangelnden Glaubwürdigkeit und Manipulation gegenüber den Bush-Kriegern angemessen. Das Ziel des Sturzes Saddam Husseins war lange definiert, nun mussten Begründungen her - die dann bis heute mehrfach Wandlungen unterzogen wurden. Die auch in den nächsten Tagen wieder zu erwartende These Bushs, der Irak-Krieg habe die USA sicherer gemacht, verdient dabei deutlichen Widerspruch. Saddam Hussein stellte zwar eine latente Bedrohung für das Wohlergehen seiner Landsleute dar, doch war nach dem heutigen Kenntnisstand keine unmittelbare Bedrohung für Amerika oder die anderen Mitglieder der kleinen "Koalition der Willigen". Stattdessen bedeutete die Beseitigung des Saddam-Regimes - aus humanitären Aspekten natürlich ein erfreuliches Resultat - eine massive Ablenkung vom Kampf gegen islamische Terror-Strukturen, die, wie die traurigen Ereignisse in Madrid belegen, weiterhin fürchterliche Wirksamkeit zeigen können. Hier wird auch der Umfang des Schadens deutlich, den der Irak-Feldzug außenpolitisch angerichtet hat. Denn nichts benötigt George W. Bush im Kampf gegen Osama bin Laden und seine Mördertruppen mehr als die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Nationen, die sich ebenfalls der Herausforderung durch die Radikal-Islamisten stellen wollen. Auch Deutschland gehört dazu, denn auch deutsche Staatsbürger sind bereits Opfer geworden - wie beim Blutbad unter Touristen in Tunesien. Eine der bedeutendsten Folgen des Irak-Krieges ist dabei die Erosion einer einst breiten Kooperationsbasis Washingtons mit den Europäern. Nur so lässt sich erklären, dass sich heute beispielsweise Spaniens Sozialisten auf einen Appeasement-Pfad gegenüber jenen Kräften begeben haben, die einen "Heiligen Krieg" nicht nur gegenüber Freunden Amerikas, sondern allen Andersgläubigen erklärt haben. nachrichten.red@volksfreund.de

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