Der umstrittenste Staatsgast seit langem

Berlin · Bei der Pressekonferenz von Bundeskanzlerin Angela Merkel und Ägyptens Staatspräsident Abdel Fattah al-Sisi ist es zu Tumulten von ägyptischen Journalisten gekommen. Al-Sisi hatte noch als Militärchef seinen Vorgänger Mohammed Mursi abgesetzt.

Berlin. Eklat im Kanzleramt. Am Ende der Pressekonferenz von Angela Merkel und Ägyptens Staatschef Abdel al-Sisi rief eine angebliche Journalistin: "Nieder mit dem Militär". Sofort skandierten an die 20 ägyptische Teilnehmer, ebenfalls angebliche Journalisten: "Es lebe Ägypten".
Die Gruppe hatte die Ausführungen ihres Präsidenten schon vorher mehrfach mit Beifall gewürdigt. Die Kanzlerin war merklich irritiert. Bei der Anti-Sisi-Aktivistin handelte sich nach eigenen Angaben um eine Medizinstudentin aus Mainz, die einen Presseausweis eines dortigen Rundfunksenders besaß. Sie wurde sofort von Sicherheitsbeamten nach draußen geleitet. Vor dem Kanzleramt skandierten derweil hunderte Pro-Sisi-Leute und schwenkten Plakate mit seinem Konterfei.
Die Hauptstadt erlebte einen der umstrittensten Staatsbesuche der vergangenen Jahre. Schon am Morgen standen, durch Polizisten getrennt, laut schreiende Pro- und Contra-Demonstranten vor dem ehrwürdigen Adlon-Hotel am Brandenburger Tor, in dem der Machthaber aus Kairo nächtigte. "Alles islamistische Terroristen", sagte einer der al-Sisi-Anhänger über die anderen, die Plakate des vorherigen Präsidenten Mursi mit sich trugen. Mursi ist wie hunderte andere Mitglieder seiner Muslimbruderschaft inzwischen zum Tode verurteilt worden.Empfang mit militärischen Ehren


Auch in der deutschen Politik war die Visite höchst umstritten, und nicht nur bei Menschenrechtsorganisationen wie Reporter ohne Grenzen oder den Grünen. Die Einladung des im Mai 2014 zwar gewählten, zuvor aber durch Putsch an die Macht gekommenen Ex-Generals war im September in einem Telefonat von Merkel persönlich ausgesprochen worden. Damals noch an die Bedingung geknüpft, dass man sich "nach der Parlamentswahl" treffen solle. Die verschob der General aber auf den Herbst dieses Jahres. Deutschland hielt trotzdem an der Einladung fest.
Ägypten, so das Credo der Bundesregierung, sei "Schlüsselland des arabischen Raums", wie Regierungssprecher Steffen Seibert im Vorfeld zur Begründung sagte. Bundespräsident Joachim Gauck empfing den Gast vor dem Schloss Bellevue mit "militärischen Ehren". Großer Bahnhof.
Nur einer trübte die Stimmung: Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU). Er sagte sein schon geplantes Treffen mit dem Gast vor zwei Wochen ab. Begründung: "Statt der seit langem erwarteten Terminierung von Parlamentswahlen erleben wir eine systematische Verfolgung oppositioneller Gruppen mit Massenverhaftungen, Verurteilungen zu langjährigen Haftstrafen und einer unfassbaren Anzahl von Todesurteilen."
Merkel übte auch Kritik an ihrem Gast, allerdings äußerst zurückhaltend. Sie sprach nur allgemein von "Werten", bei denen man sich unterscheide. Und über die Todesstrafe sagte sie, man sei in Deutschland grundsätzlich gegen diese Strafe. "Aber", fügte sie hinzu, "das führt nicht dazu, dass wir in vielen anderen Fragen nicht zusammenarbeiten können." Sie meinte vor allem die wirtschaftliche und sicherheitspolitische Zusammenarbeit, denn Ägypten sei "von hoher strategischer Bedeutung" vor allem im Kampf gegen den islamistischen Terror.
Al-Sisi, der mit großer Wirtschaftsdelegation angereist war, hörte sich Merkels Worte lächelnd an. Man müsse die Werte gegenseitig akzeptieren, meinte er. Zudem seien das alles nur erstinstanzliche Todesurteile. Wer wisse schon, was die nächsten Instanzen bringen.

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