Der Verrat des ärztlichen Eides: Mediziner aus der Region als Nazigehilfen

Trier · Mit Berichten über Ärzte aus der Region, die mit den Nationalsozialisten zusammenarbeiteten, und über Mediziner, die Widerstand leisteten, beginnt die Bezirksärztekammer Trier die Aufarbeitung der dunklen Vergangenheit.

 Zwölf Stolpersteine für Kranke aus der Region, die während der Nazizeit ermordet wurden, sind in Trier verlegt worden. TV-Foto: Archiv/Katja Bernardy

Zwölf Stolpersteine für Kranke aus der Region, die während der Nazizeit ermordet wurden, sind in Trier verlegt worden. TV-Foto: Archiv/Katja Bernardy

Trier. Theophil Hackethal. Herbert Schulzebeer. Zwei Namen von Ärzten, die in der Region für die Verstrickung der Medizin mit den Nazis stehen. Eine dunkle Vergangenheit, die einige lieber vergessen und ruhen lassen würden. Doch die Bezirksärztekammer Trier stellt sich dieser Vergangenheit, ihrer Vergangenheit. Knapp 200 Besucher, deutlich mehr als erwartet, sind zu der Auftaktveranstaltung am Donnerstag in die Kammer nach Trier gekommen, mit der die Aufarbeitung dieser Zeit eingeleitet werden soll.
Theophil Hackethal war ein Arzt dieser Zeit. Einer, der wie viele damals den Eid, Menschen zu helfen, verraten hat. Der 1883 in Mönchengladbach geborene Mediziner war Mitglied der SS und von 1941 bis 1945 Arzt im Sonderlager Hinzert bei Hermeskeil, wie der Trierer Historiker Thomas Schnitzler herausgefunden hat. In dem Lager wurden insgesamt 14 000 Männer inhaftiert, darunter viele Luxemburger Widerstandskämpfer. Bis zu 1000 Menschen sollen in dem Lager von den Nazis ermordet worden sein. Hackethal, damals zugleich auch Chefarzt des Hermeskeiler Krankenhauses, soll zahlreiche gefälschte Totenscheine von in Hinzert Ermordeten unterschrieben haben - ohne deren Leichen untersucht zu haben und um die Gräueltaten in dem Lager zu decken, schildert Schnitzler.
Auch Herbert Schulzebeer ist ein Arzt gewesen, der sich in die Dienste der Nazis in Trier gestellt hat. Er sei Operateur am Elisabeth-Krankenhaus und dort für die Zwangssterilisation von 2000 Männern und Frauen zuständig gewesen. Menschen, denen die Nazis verboten haben, Nachwuchs zu bekommen, etwa weil sie behindert waren. Schnitzler hat die Geschichte der Zwangssterilisationen in Trier anhand von Patientenakten, Operationsbüchern und Arztberichten erforscht. Auch Schnitzlers Vater ist Arzt im Elisabeth-Krankenhaus gewesen und hat sich genau wie Anton Hippchen geweigert, Zwangssterilisationen vorzunehmen. Hippchens Tochter Anna Maria Körholz, Jahrgang 1924, berichtet eindrucksvoll, wie groß der Druck auch von anderen Ärzten damals auf ihren Vater, einen Nazigegner, gewesen ist. Im Oktober 1935 sei ihr Vater entlassen worden. Die Bezirksärztekammer habe sich lange Zeit schwergetan mit diesem düsteren Kapitel, sagt Kammerchef Günther Matheis.
So habe die Kammer einem Zwangssterilisierten, der Informationen zu dem damaligen Chirurgen gehabt habe, nicht weitergeholfen.
Das Schicksal eines jüdischen Tierarztes in Hermeskeil schildert an diesem Abend sehr emotional und anschaulich dessen Sohn, Heinz Kahn. Er, heute 90, hat die Hölle des Vernichtungslagers Auschwitz überlebt. Bevor er samt Familie im März 1943 im Viehwaggon von Trier dorthin verschleppt wurde, erlebte er die Ächtung seines Vaters und die Ausgrenzung der Familie in und um Hermeskeil. Dank seiner Intelligenz und handwerklichen Fertigkeiten erhielt er im KZ Auschwitz Sonderaufgaben, wurde zum Pfleger im Krankenbau, schloss sich der Widerstandsgruppe an.
"Ich habe mich geschämt, Deutscher zu sein", sagt er, ohne anklagend zu klingen. Kahn wurde kurz vor Ende des Naziregimes in das KZ Buchenwald verlegt und dort von den Amerikanern befreit. Zurück in Trier studierte er dann Tiermedizin wie sein Vater. Mit seiner Frau, ebenfalls eine KZ-Überlebende, lebt er in Polch in der Eifel.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort