Der Westen hat sich verschätzt

Ägypten ist reif für die Demokratie. Das sagt der in Prüm lebende Journalist und Nahost-Experte Abdel Mottaleb Husseini. Er kritisiert Europa und die USA heftig. Sie hätten die Lage in dem Land völlig falsch eingeschätzt.

 Nahost-Experte Husseini. TV-Foto: Archiv

Nahost-Experte Husseini. TV-Foto: Archiv

Prüm. (wie) Abdel Mottaleb Husseini lebt seit 1984 in der Eifel. Der 61-Jährige ist im Libanon geboren. Der Journalist und Autor beschäftigt sich mit den politischen, gesellschaftlichen und kulturellen Fragen der arabischen Welt. Mit ihm sprach TV-Redakteur Bernd Wientjes.

Am Donnerstagabend hatte er sich noch geweigert, nun ist er doch zurückgetreten. Wie bewerten Sie Husni Mubarak?

Husseini: Mubarak ist ein schwerer Fall. Der Mann ist offenbar ein Fall für die Psychiatrie. Er ist ein Autist, der in seiner Welt lebt und nicht mehr mitbekommen hat, was sein Volk eigentlich will. Mubarak hatte eigentlich seit Beginn der Proteste keine Legitimation mehr. Der Rücktritt war überfällig.

Kann Vizepräsident Omar Suleiman das Land führen?

Husseini: Suleiman ist ein Geheimdienstmann. Er hat sich bislang nur als Diener Mubaraks profiliert. Als Politiker ist er absolut unfähig, genauso kurzsichtig und autistisch wie Mubarak. Suleiman ist nicht in der Lage, die Verantwortung in der Übergangsphase zu übernehmen.

Gibt es Ihrer Ansicht nach unter den Reformern jemanden, der das Land in die Demokratie führen könnte?

Husseini: Es gibt sicherlich keine charismatischen Köpfe. Aber der Friedensnobelpreisträger und Oppositionspolitiker Mohamed El Baradei wäre sicherlich jemand, der das Land vorübergehend führen könnte.

Für Europa kam der Volksaufstand in Ägypten überraschend. Gab es wirklich vorher keine Anzeichen dafür?

Husseini: Die Geheimdienste im Westen haben versagt. Keiner hat die Lage in Ägypten vorhergesagt. Es gab schon seit längerem kleinere Proteste, die aber unterdrückt worden sind.

Warum wurde Mubarak bis vor kurzem von den westlichen Staatschefs noch hofiert?

Husseini: Bislang galt Mubarak in den USA und in Europa als gemäßigter Diktator, der für Stabilität sorgt, die Islamisten in Schach hält und für die Sicherheit Israels und der Öllieferungen aus Nahost garantiert. Demokratie und Menschenrechte spielten dabei absolut keine Rolle. Der Westen hat sich verschätzt, man ist davon ausgegangen, dass sich das Regime in Ägypten ewig hält.

Wie lange wird es dauern, bis Ägypten eine Demokratie ist?

Husseini: Das Land ist reif dafür. Das zeigen die Proteste. Nach dem Rücktritt Mubaraks wird es sehr schnell gehen. Alles was die Ägypter wollen, ist Demokratie. Sie wollen keine Diktatur und keinen islamistischen Gottesstaat. -pf./gek

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