"Der Zölibat gehört nicht zum Wesen des Priesteramts"

Wer mit Georg Bätzing spricht, merkt, wie schwer es dem zukünftigen Limburger Bischof fällt, seiner langjährigen Heimat Trier den Rücken zu kehren. Was er in Limburg anders machen will als sein in Ungnade gefallener Vorgänger, und was er an Trier besonders vermissen wird, hat der 55-Jährige im Gespräch mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz verraten.

 Bitte lächeln: der scheidende Generalvikar Georg Bätzing (links) beim Selfie mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz. Von Bätzings Büro aus hat man den schönsten Ausblick auf den Garten des Trierer Bischofs.

Bitte lächeln: der scheidende Generalvikar Georg Bätzing (links) beim Selfie mit TV-Redakteur Rolf Seydewitz. Von Bätzings Büro aus hat man den schönsten Ausblick auf den Garten des Trierer Bischofs.

Foto: Rolf Seydewitz

Herr Bätzing, in zwei Wochen werden Sie zum Bischof von Limburg geweiht: Beschreiben Sie bitte mal in zwei Sätzen Ihre derzeitige Gefühlslage …
Georg Bätzing: Sehr gemischt. Natürlich bin ich wehmütig, Trier zu verlassen. Zugleich aber freue ich mich auf Limburg. Dankbarkeit ist das Verbindende.

Sie machen auf mich einen gelösten Eindruck. Täuscht das?
Bätzing: Ich lenke mich durch Arbeit ab. Es ist viel zu tun, das normale Geschäft des Generalvikars läuft ja weiter.

Hatten Sie Kontakt zu Ihrem Vorgänger Franz-Peter Tebartz-van Elst?
Bätzing: Ja, wir hatten Kontakt.

Von wem ging das aus?
Bätzing: Von mir. Er hat mir sehr freundlich und herzlich zu meiner Wahl gratuliert.

War's das?
Bätzing: Wir werden uns treffen, wenn die Weihe vorbei ist und ich in Limburg angekommen bin. Er wurde über die Feierlichkeiten in Limburg informiert, hat aber mitgeteilt, dass er daran nicht teilnehmen wird.

Hatten Sie auch Kontakt mit Altbischof Franz Kamphaus?
Bätzing: Einen sehr intensiven Kontakt sogar. Ich habe ihn besucht, und er hat mir lange von seiner Diözese erzählt. Altbischof Kamphaus wohnt im Rheingau, ist ein hellwacher, älterer Herr mit inzwischen 84 Jahren, der alles gut im Blick hat.

Inwiefern ist die Limburger Vorgeschichte für Sie eher Belastung oder Ansporn?
Bätzing: Nach Limburg zu gehen ist mit Sicherheit etwas anders, als wenn man Bischof in einem anderen Bistum würde. Ich merke das an der Aufmerksamkeit der Medien und Öffentlichkeit bei Fragen, die für mich eigentlich nicht im Vordergrund stehen. Dem muss ich mich stellen.

Wie wollen Sie das bei vielen gläubigen Limburgern zerstörte Vertrauen zur katholischen Kirche wieder aufbauen?
Bätzing: Gespräche. Zuhören. Besuche machen. Versuchen, Situationen genau kennenzulernen. Sich Zeit nehmen. Ich war im Juli schon häufiger dort und habe mit vielen gesprochen. Umgekehrt müssen die Menschen auch mich kennenlernen. Dann hoffe ich, dass Vertrauen wieder wächst.

Auf Fernsehbildern sah es so aus, als würden Sie in Limburg mit offenen Armen empfangen?
Bätzing: Ich wurde herzlich und offen aufgenommen. Die Leute waren sehr ehrlich zu mir, haben auch von ihren Verletzungen und Wunden gesprochen. Aber mein Eindruck ist auch, dass jetzt alle in die Zukunft schauen wollen.

Warum ziehen Sie nicht in den Prachtbau Ihres Vorgängers?
Bätzing: Eine Wohnung muss zur Person passen, deshalb habe ich mich für eine andere Lösung entschieden. Der Komplex des Bischofshauses ist architektonisch schön. Deshalb nutze ich ihn als Dienstsitz und nutzen wir als Bistum ihn für Veranstaltungen, Tagungen oder Gottesdienste.

Dass Sie dort nicht einziehen würden, stand doch von Anfang an fest, oder nicht?
Bätzing: Die Frage, wo ein Bischof wohnt, ist zunächst eine Frage, die das Bistum zu klären hat. In Limburg haben mir die Verantwortlichen mehrere Optionen aufgezeigt. Ich habe sie mir alle angeschaut, mich beraten und dann wurde eine Entscheidung getroffen.

Was haben Sie sich für die ersten 100 Tage vorgenommen?
Bätzing: Ich habe mir vorgenommen, zunächst einmal alle elf Bezirke und die Menschen dort zu besuchen, um ein Bild des gesamten Bistums zu gewinnen.

Sie haben lange mit Triers Bischof Stephan Ackermann zusammengearbeitet. Was wird sich Bischof Georg Bätzing von ihm abschauen?
Bätzing: Ich wünschte mir manchmal die Schlagfertigkeit Ackermanns. Abschauen werde ich mir seine hellwache Aufmerksamkeit und das große Vertrauen in die Mitarbeiter. Und mir gefällt seine Art, wenn er sagt, das ist mir als Bischof wichtig, da steige ich jetzt ein.

Was wollen Sie sich auf keinen Fall von ihm abschauen?
Bätzing: (lacht) Da fällt mir nichts ein.

Der Präsident des Zentralkomitees der deutschen Katholiken, Thomas Sternberg, hat diese Woche Lockerungen beim Zölibat gefordert. Inwiefern ist die Forderung für Sie nachvollziehbar?
Bätzing: Die Forderung ist nicht neu. Ich weiß nur nicht, ob sie zielführend ist. Bringen einfache Signale etwas, die aber nicht einfach umzusetzen sind?

Ich versuche es noch einmal. Was ist Ihre Meinung, soll es verheiratete Priester geben?
Bätzing: Die Frage kann man diskutieren, sie ist völlig offen. Es gibt ja verheiratete katholische Priester, nur nicht in der lateinischen Kirche. Der Zölibat gehört nicht zum Wesen des Priesteramts. Da kann es eine Lösung auf gesamtkirchlicher Ebene geben.

Auch der Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion, Franz Josef Jung, hat diese Woche gesagt, von der Beantwortung dieser Frage könne die Zukunft der Institution abhängen …
Bätzing: Das glaube ich nicht.

Sternberg sagt: Ausländische Priester und XXL-Pfarreien sind keine Lösung. Was sagen Sie?
Bätzing: Unsere Krise müssen wir in der Tat selbst lösen. Auch im Bistum Trier gibt es ja einige Priester aus anderen Teilen der Welt. Wir machen gute Erfahrungen damit, aber sie sind nicht die Lösung unserer Probleme.

… und XXL-Pfarreien dagegen schon?
Bätzing: XXL-Pfarreien sind ein sehr verkürzter Ausdruck. Pfarreien müssen künftig ganz anders gedacht werden. Sie sind keine Pfarrgemeinde mehr, ein wohliges, kleines Zusammenspiel, sondern ein Netzwerk in einem großen Kontext. Das entspricht viel eher der heutigen Lebensweise der Menschen, die sich ja auch in ihrem persönlichen und beruflichen Leben über weite Strecken vernetzen.

Werden Sie sich für das Frauendiakonat einsetzen?
Bätzing: Der Papst hat die Frage aufgenommen, indem er einen Prüfauftrag gegeben hat. Ich bin froh, dass die von ihm eingesetzte Expertenkommission auch mit Theologinnen besetzt ist, um die Perspektive der Frauen einzubringen. Ich bin auf die Ergebnisse gespannt.

Wenn Sie es zu entscheiden hätten …?
Bätzing: Ich bin nicht der Papst. Und als Bischof kann man das nicht entscheiden.

Sollen wiederverheiratete Geschiedene zur Kommunion zugelassen werden?
Bätzing: Das Schreiben des Papstes nach der zurückliegenden Weltbischofssynode beschreibt ja Kriterien, unter denen die Zulassung möglich ist. Wir Bischöfe werden uns mit der Fragestellung sicherlich weiter befassen. Wichtig ist, dass eine Lösung gefunden wird, die für unser Land passt und die in Einklang mit der Lehre und Tradition der Kirche steht.

Wie sollte die katholische Kirche mit Homosexuellen umgehen?
Bätzing: Der Papst ist Vorbild, indem er sagt: Wer bin ich, dass ich darüber urteilen könnte? Das ist Ausdruck der Wertschätzung von Lebensformen aller Art, die Menschen verantwortlich und in Treue leben. Da ist noch vieles möglich.

Was sollen die Limburger in einem Jahr über Sie sagen?
Bätzing: Er ist angekommen, aufmerksam und auf unserer Seite. Er hat etwas zu sagen, und wir können mit ihm gut in die Zukunft gehen.

Was und wen werden Sie an Trier am meisten vermissen?
Bätzing: Vieles. Die Stadt, die Kontakte in den öffentlichen, gesellschaftlichen und politischen Bereichen. Ich werde die vertrauensvollen internen Gespräche vermissen, gute Freunde und das Wohnen in der Stadt. Ich lebe immerhin seit 26 Jahren hier in Trier. seyExtra

Georg Bätzing wuchs in Niederfischbach an der Sieg auf. 1987 wurde er in Trier zum Priester geweiht. Er war Kaplan in Klausen und Koblenz, ehe er 1990 Vizechef des Trierer Priesterseminars wurde. Von 1996 bis Januar 2010 war Bätzing für die Priesterausbildung im Bistum verantwortlich. Dieses Amt gab er ab, nachdem der damalige Bischof Reinhard Marx ihn 2007 zum Leiter der Heilig-Rock-Wallfahrt berufen hatte. Seit November 2012 ist Georg Bätzing Generalvikar und damit oberster Verwaltungschef des Bistums. Auch bei der Bistumssynode war der heute 55-Jährige federführend. Anfang Juli ernannte ihn der Papst zum Bischof von Limburg. In zwei Wochen wird Georg Bätzing geweiht. sey

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort