Der zurückgetretene Chef schont seine Behörde nicht

Berlin · Ungewöhnliche Stille im Ausschusssaal: Bei seiner Vernehmung zur Nazi-Mordserie geht Verfassungsschutzpräsident Fromm mit seiner Behörde hart ins Gericht

Berlin. Heinz Fromm ist ein Pokerface. Als er den Saal des Bundestags-Untersuchungsausschusses zur Mordserie der rechten Zwickauer Zelle betritt, verzieht er keine Miene. Als Geheimdienstler darf man sich nichts anmerken lassen, weder Nervosität noch das Gefühl von Überlegenheit. Fromm hat das in den langen Jahren seiner Karriere gelernt. Doch das ist diesmal nur Fassade. Tief in seinem Inneren muss es ganz anders aussehen. Denn der zurückgetretene Verfassungsschutzpräsident offenbart den Abgeordneten Dinge, die man in dieser Deutlichkeit nicht erwartet hätte.
Es wird besonders still im proppenvollen Ausschusssaal. SPD-Obfrau Eva Högl hat noch einmal nach Fromms Motiven für seinen Rückzug gefragt. Die Antwort des 63-Jährigen ist eindeutig: "Ich bin in diesen Wochen hinters Licht geführt worden." Ein Satz wie Donnerhall, der nach zwei Stunden Vernehmung die Aufmerksamkeit im Raum noch einmal rapide ansteigen lässt. Der oberste Inlands-Geheimdienstler ein Spielball seines eigenen Hauses? Högl setzt nach. Ob er denn ausschließen könne, dass einer aus dem Terrortrio - Zschäpe, Mundlos oder Böhnhardt - V-Mann des Verfassungsschutzes gewesen sei? Seit Wochen hält sich in Berlin diese skandalträchtige Theorie, Beweise dafür gibt es aber auch nach Ansicht der meisten Ausschussmitglieder nicht. Fromm: "Nach allem, was ich weiß, kann ich das ausschließen."
Allerdings hat er in den vergangenen Monaten auch nicht immer alles erfahren. Die Vernichtung von wichtigen Akten kurz nach Auffliegen des Terrortrios im November vorigen Jahres wurde ihm erst bekannt, als der Reißwolf schon wieder abgestellt war. Deshalb auch der Rücktritt.
Fromm wirkt bei seinem Auftritt wie einer, dem unverhofft etwas entglitten ist. Die Amtsleitung sei über das Schreddern schlichtweg im Unklaren gelassen worden, sagt er. Seine Erklärung: Man habe im Amt beschlossen, gemäß Gesetz mindestens 15 Jahre alte Akten endlich zu entsorgen. Vermutlich sei dann auch bei den NSU-Ordnern - die deutlich jünger waren - nach dem Motto verfahren worden: "Alte Dinger, also weg." So simpel soll es gewesen sein.
Fromm räumt ein: Dieser Vorgang habe zu einem "schwerwiegenden Ansehensverlust geführt, dessen Folgen nicht absehbar sind". Der Referatsleiter, der die Akten geschreddert hat und der im Bundesamt auch noch für Rechtsextremismus zuständig gewesen sein soll, wollte sich nicht zu seinen Motiven äußern. Gegen ihn wird ermittelt.
Dass Fromm sich nicht schützend vor seine Behörde stellt, entspricht seiner Haltung - er ist ein Mann der klaren Kante, der die Notwendigkeit des Kampfes gegen den Rechtsextremismus immer betont hat. Umso bitterer muss es für ihn sein, was er dem Ausschuss jetzt unumwunden eingesteht: Die Mordserie sei "beispiellos" und eine "schwere Niederlage" für den Verfassungsschutz gewesen. Man habe möglicherweise zu "borniert", zu "engstirnig" ermittelt. Auch seien Informationen nicht geflossen, und jeder Versuch, dies grundsätzlich zu ändern, sei von der Politik verhindert worden.
Fromm weiter: Im Verfassungsschutz-Verbund seien nie Verbindungen zwischen den Morden an den Migranten und der rechtsextremen Szene hergestellt worden. Bemerkenswert ist, dass bis heute auch niemand von den V-Leuten des anderen weiß. So jedenfalls der Präsident. 2001 habe man dann die Suche nach dem Trio einfach eingestellt. "Auch das war ein Fehler."

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