Deutsche sollen gesünder leben

BERLIN. Die Bilder sind uns inzwischen nicht nur aus den USA vertraut: Auch hierzulande kämpfen immer mehr Menschen mit Übergewicht und Wohlstandskrankheiten, weil sie sich falsch ernähren und den Fernsehsessel einem bewegungsreichen Dasein vorziehen. Bundessozialministerin Ulla Schmidt (SPD) hat dieser problematischen Tatsache nun den Kampf angesagt.

Um die Bevölkerung zu einer gesünderen Lebensweise zu animieren, verabschiedete das rot-grüne Kabinett gestern ein so genanntes Präventionsgesetz. Sein Ziel besteht darin, die Vorsorge neben Rehabilitation und Pflege sowie der eigentlichen medizinischen Behandlung als zusätzliche Säule im Gesundheitswesen auszubauen. Bislang hat sich hauptsächlich die gesetzliche Krankenversicherung um die Verhinderung von Volkskrankheiten wie Herz-Kreislauf-Beschwerden oder Rückenschmerzen gekümmert. Künftig sollen sich auch die übrigen Sozialversicherungszweige beteiligen. Laut Gesetzentwurf werden dafür mindestens 250 Millionen Euro pro Jahr verausgabt. Den Löwenanteil von 180 Millionen Euro tragen die Krankenkassen. Diesen Betrag müssten die Assekuranzen schon nach den geltenden Bestimmungen des Sozialgesetzbuches für die Prävention aufwenden. Tatsächlich sind es aber nur etwa 115 Millionen Euro pro Jahr. Die Rentenversicherer steuern künftig weitere 40 Millionen Euro bei. Aus der Unfall- und Pflegekasse kommen noch einmal 20 beziehungsweise zehn Millionen Euro. Ursprünglich sollte sich auch die Arbeitslosenversicherung beteiligen. Doch die Nürnberger Bundesagentur weigert sich standhaft, den ihr zugedachten Anteil von weiteren 20 Millionen Euro bereit zu stellen. Ministerin Schmidt hat die Hoffnung aber nicht aufgegeben, dass sich die Behörde im Zuge des parlamentarischen Verfahrens noch umstimmen lässt. In dem Gesetz ist zugleich eine feste Aufteilung der Mittel vorgeschrieben. 100 Millionen Euro sollen für individuelle Kassenangebote wie Rückenschule, Ernährungsberatung oder Raucherentwöhnung sowie die betriebliche Gesundheitsförderung fließen. Der gleiche Betrag wird noch einmal auf Länderebene für Projekte in Schulen, Kindergärten, Sportvereinen oder Altenheimen verteilt. Die restlichen 50 Millionen Euro stehen einer noch zu schaffenden Präventionsstiftung zur Verfügung, die für bundesweite Projekte und Kampagnen zuständig ist. Die gesetzlichen Krankenkassen sehen Schmidts Vorstoß mit gemischten Gefühlen. "Die Prävention ist ein wichtiges Anliegen", erklärte der Sprecher der Innungskrankenkassen (IKK), Joachim Odenbach, gegenüber unserer Zeitung. Die vorgesehene Finanzverteilung berge jedoch die Gefahr von "Verschiebebahnhöfen". So könnten die Länder ihre Mittel für Gesundheitsämter oder Schulärzte weiter zusammenstreichen, um sich dafür aus den Geldern der Krankenkassen zu bedienen. Bei der AOK gibt man zu bedenken, dass das starre Finanzkorsett bei einigen Kassen sogar eine Kürzung der Vorsorgeausgaben bedeuten könne, weil sie sich bislang deutlich mehr darum gekümmert hätten. "Prävention ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, deshalb ist die Finanzierung falsch", kritisierte der CDU-Sozialexperte Andreas Storm. Außerdem erfordere das Gesetz einen "massiven Verwaltungsaufwand".

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