Deutsche unter den "Azubis des Terrors"

Das Innenministerium schlug gestern Alarm: Die Sicherheitslage erinnere ihn an den Frühsommer 2001, kurz vor den Anschlägen von New York, sagte Staatssekretär August Hanning. Man habe "sich verdichtende Hinweise", dass Deutschland von den Terroristen mit den USA und England "in eine gleiche Gefährdungsdimension" gebracht worden sei, wurde mitgeteilt.

Berlin. Eine derartige Alarmmeldung hat es bisher für Deutschland noch nicht gegeben. Die Bundespolizei wurde angewiesen, an den Grenzen besonders auf zurückreisende Deutsche aus Pakistan zu achten. Hanning betonte zwar, dass kein Anlass zur Panik bestehe, sondern "zu erhöhter Aufmerksamkeit". Auch Vize-Regierungssprecher Thomas Steg warnte davor, "Panik oder Hysterie zu schüren". Am Mittwochabend hatte Staatssekretär August Hanning jedoch vor einem kleinen Kreis von Journalisten ungewohnt offen seine Erkenntnisse geschildert. Demnach gehen die Sicherheitsbehörden davon aus, dass Al-Kaida und die Taliban gezielt die deutsche Ausbildungshilfe für die afghanische Polizei angreifen wollen. Passend dazu wurde gestern vom Auswärtigen Amt mitgeteilt, dass es am vergangenen Sonnabend einen Anschlag auf einen deutschen Botschaftskonvoi in Kabul gegeben hat. Dabei seien keine Personen verletzt, jedoch ein Fahrzeug zerstört worden. Über die Art des Anschlages wurden keine Auskünfte gemacht. Das zweite Ziel ist Hanning zufolge die im Herbst anstehende Bundestagsentscheidung über die Fortsetzung des Afghanistan-Einsatzes der Bundeswehr. Das lässt die Gefahr von Anschlägen in Deutschland groß werden.Festnahmen im Grenzgebiet zu Pakistan

Besonders alarmiert sind die Behörden, weil im Grenzgebiet zu Pakistan am 10. Juni drei Personen festgenommen wurden, von denen zwei Deutsche sein sollen, die bereits als "Gefährder" registriert waren. Man befürchtet, dass sie in Al-Kaida-Lagern zu Kämpfern oder gar Selbstmordattentätern ausgebildet wurden. Möglicherweise waren sie sogar schon auf dem Weg nach Deutschland. Derzeit werden sie vom pakistanischen Geheimdienst befragt; die deutschen Behörden bemühen sich um nähere Information. Gestern bestätigte das Innenministerium, dass Personen aus "Europa und Deutschland" in die Al-Kaida-Ausbildungslager gereist seien. "Es gibt Verbindungen nach Deutschland und wieder zurück", sagte ein Sprecher. Inoffiziell wird die Zahl von zehn Verdächtigen genannt. Hanning sprach von "Azubis des Terrors". Die terroristischen Strukturen hätten sich "verstärkt und sind aktionsfähig", sagte ein Sprecher des Innenministeriums. Das Bild füge sich "Stein für Stein zu einem Mosaik". Dazu gehört auch ein Video, das am 9. Juni im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet entstand und zeigt, wie ein Taliban-Kommandeur vier Gruppen angeblicher Selbstmordattentäter verabschiedet. Alle vermummt. Eine der Gruppen soll dem Band zufolge nach Deutschland aufbrechen, die anderen in die USA, nach Kanada und England. Einen Ratschlag, wie sich die Bürger angesichts der wachsenden Terrorgefahr konkret verhalten sollen, konnte das Innenministerium gestern nicht geben. Die Behörden arbeiteten eng mit befreundeten Geheimdiensten zusammen und täten das Mögliche, hieß es. Die Bürger sollten aber die Warnhinweise ernst nehmen.

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