"Deutsches Watergate"

BERLIN. Gerüchte oder "ein kaum vorstellbares Komplott"? Die Affäre um den Bundesbankpräsidenten Ernst Welteke zieht Kreise. Nun sind auch Berater von Finanzminister Hans Eichel in die Kritik geraten.

Morgen kann der an der Müritz urlaubende Bundesfinanzminister sein fünfjähriges Dienstjubiläum feiern. Ob Hans Eichel (62) zum Feiern zumute ist, scheint aber fraglich. In Berlin türmen sich die Probleme, vom allzu kargen Bundesbankgewinn über den Streit mit Verteidigungsminister Peter Struck, der keinen weiteren Sparbeitrag leisten will, bis hin zur Affäre um Bundesbankpräsident Ernst Welteke, die Eichel zunehmend zu schaffen macht. Die Opposition hat Blut geleckt, und sie spielt mit einigen Medien jetzt Doppelpass. Sollte zutreffen, was "Welt am Sonntag" und "Bild" schreiben, könnte sich die Affäre zu einem "deutschen Watergate" entwickeln, posaunte der CDU-Haushaltsexperte Steffen Kampeter. Unter Hinweis auf eigene Recherchen meldeten die Springer-Blätter an Ostern, Eichel habe Weltekes Ablösung "von langer Hand geplant". Einer der Gründe sei der Streit um den Verkauf von Goldreserven der Bundesbank, bei dem sich Welteke stur stelle. Nach dem dürren Bundesbankgewinn von nur 248 Millionen Euro - Eichel hatte mit 3,5 Milliarden kalkuliert - habe der Minister den Genossen Welteke "zum Abschuss frei gegeben"."Bösartige und abwegige Darstellung"

Die Welt am Sonntag kriegte sich kaum noch ein und schrieb von einem "kaum vorstellbaren Komplott". Die CDU-Haushälter Dietrich Austermann und Steffen Kampeter reagierten prompt und beantragten beim Haushaltsausschuss des Bundestages eine "Anhörung" Eichels sowie seines Medienberaters Klaus-Peter Schmidt-Deguelle. Die beiden müssten dem Parlament "Rede und Antwort stehen" und auch aufklären, was es mit den Gerüchten auf sich habe, Schmidt-Deguelle habe die anonymen Briefe über die Berliner "Sause" des Bundesbankpräsidenten selbst an das Ministerium geschickt und anschließend den "Spiegel" informiert. Eichels Sprecher Jürg Müller dementierte die Behauptungen als "bösartige und abwegige Darstellung". Dem Minister sei es ausschließlich um die Aufklärung der Vorgänge und das Verhalten des Bundesbankpräsidenten gegangen. Müller bestätigte einen Bericht der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wonach Eichel den Präsidenten beim G7-Gipfel der Finanzminister kürzlich in Dublin nicht zum Rücktritt gedrängt habe. Allerdings habe der Minister im Nachgang der Affäre mehrfach deutlich gemacht, dass sich die Einladung Weltekes im Hotel Adlon auf Kosten der Dresdner Bank nicht mit dem Verhaltenskodex der Europäischen Zentralbank (EZB) vereinbaren lasse. Dies habe Eichel dem Präsidenten auch persönlich gesagt. Tatsächlich ließ der Finanzminister nie einen Zweifel daran, dass er den Rücktritt Weltekes für unumgänglich hält. Eichels Sprecher erneuerte am Dienstag die Kritik des Ministers an Welteke. Und Schmidt-Deguelle wies Behauptungen, er habe die Informationen über Welteke "durchgestochen", energisch zurück. Dies sei eine Unterstellung der Springer-Presse mit dem Ziel, "Eichel zu schaden". Er prüfe rechtliche Schritte gegen Medien, die solche Vorwürfe erheben. Heute will sich die EZB mit dem Fall Welteke befassen.

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