Deutschland - das gelobte Land

Deutsche gelten in der Welt als langweilig und pedantisch. Das wohl einzige Land, in dem man mit nicht enden wollender Zuneigung bedacht wird ist - der Iran.

Teheran. Ob Taxifahrer oder Bankangestellte, alle empfangen mich tagtäglich herzlich: "Deutscher?! Sehr gut!"

Gerne würde ich das meinem außergewöhnlichem Charme zuschreiben, wahrscheinlich aber spielen traditionell gute Beziehungen und die weit verbreitete Legende vom "arischen" Ursprung der beiden Völker ("Wir sind Brüder") die wichtigere Rolle. Um sicherzugehen, habe ich mich als Engländer ausgegeben - auch in Maskerade höre ich die einhellige Meinung: "Deutschland ist das beste Land Europas." Es passt ins Bild, dass insbesondere vor der deutschen Botschaft Menschen geduldig um ein Visum anstehen.

Meine englischen Freunde dagegen rufen vielfältige Reaktionen hervor, die von Höflichkeit und Neugierde (in den meisten Fällen) bis hin zu Misstrauen reichen. Der Unterschied liegt in der Kolonialgeschichte begründet. In den Köpfen lebt das Empire weiter.

Iran war formell niemals Kolonie, was Großbritannien und Russland aber nicht daran hinderte, über Jahrhunderte massiven Einfluss auf das Land auszuüben. Zunächst war Persien als Nachbar Indiens für Albion von strategischer Bedeutung. Im Laufe des 19. Jahrhunderts erteilte die Herrscherfamilie der Kadscharen sogenannte Konzessionen (Nutzungsrechte) an britische Staatsbürger, die die Perser übervorteilten und den wirtschaftlichen Einfluss Londons sichern sollten. Mit wechselndem Erfolg: 1892 musste der Schah eine Konzession für Herstellung und Verkauf des gesamten iranischen Tabaks zurückziehen: Die Iraner hatten einfach aufgehört, Tabak zu rauchen (Tabak-Boykott).

Das wohl traumatischste Ereignis für das kollektive Bewusstsein der Iraner aber stand im Zeichen des Öls: Unter dem Dach der im April des Jahres 1909 gegründeten "Anglo-Persian Oil Company" (APOC) hatte London die Erdöl-Vorräte Irans ausgebeutet. Der iranische Premierminister Mossadegh verstaatlichte die in "Anglo-Iranian Oil Company" umbenannte Gesellschaft, um die Iraner am Ölreichtum ihres Landes zu beteiligen. 1953 wurde er in der Folge durch einen - wahrscheinlich von der CIA inszenierten - Staatsstreich gestürzt, und der unbeliebte Schah wurde durch amerikanische Unterstützung bis zur Revolution an der Macht gehalten.

Diese Vergangenheit führte zu einer tief greifenden Angst vor insbesondere britischer Fremdbestimmung. Nach heute gängigem europäischen Verständnis könnte man das alles als vergangen abtun. Doch noch immer - 30 Jahre nach der Revolution und lange nach dem Untergang des Empires - glauben viele Menschen, dass England die Politik Irans mitbestimmt. Kurz: Die Geschichte wird - manchmal unverständlich - bis in die Gegenwart hinein verlängert. Vielleicht spielt hierbei auch Unsicherheit über Irans Wahrnehmung in der Welt eine Rolle.

In eine vernünftige Perspektive gerückt ist dennoch festzuhalten: Fast alle Iraner empfinden für den gesamten Westen in erster Linie Neugier; sie wollen schlichtweg wissen, wie wir leben. "Hass auf den Westen" aber sieht anders aus - in Teheran zumindest habe ich ihn noch nicht erlebt.

zur person

Andreas Burkard ist im Eifel-Ort Greimerath aufgewachsen. Der 22-Jährige studiert seit 2007 Islamwissenschaften an der Universität von Oxford. Seit einigen Wochen ist er für ein Jahr in Teheran. Im TV schreibt Burkard in unregelmäßigen Abständen über das Leben im Iran.

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