Fragen & Antworten Der Entwurf für den EU-Haushalt Deutschland soll sich die EU mehr kosten lassen

Von Markus Grabitz · Haushaltskommissar Günther Oettinger legt den EU-Etat für 2021 bis 2027 vor: Bauern und rückständige Regionen sind die Verlierer, Forschung, Grenzschutz und Verteidiger die Gewinner

 EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger kommt zur Vorstellung der EU-Finanzplanung.

EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger kommt zur Vorstellung der EU-Finanzplanung.

Foto: dpa/Wiktor Dabkowski

Was schlägt Oettinger vor?

Die EU soll zwischen 2021 und 2027 etwa 1135 Milliarden Euro in ihrem Gemeinschaftshaushalt zur Verfügung haben. Dies entspricht 1,11 Prozent der Wirtschaftsleistung der EU, die nach dem Ausstieg der Briten 2019 nur noch 27 Mitglieder haben wird. Damit hätte die EU etwas mehr Geld zur Verfügung als im laufenden Finanzrahmen von 2014 bis 2020. Damit bleibt Oettinger am unteren Ende des Volumens, das erwartet worden war.

Wie ist der Etat zu bewerten?

Oettingers Vorschlag ist realistisch. Die EU steht vor enormen finanziellen Herausforderungen. Durch den Austritt Großbritanniens fällt ab 2019 der nach Deutschland zweitgrößte Nettozahler weg. Oettinger kalkuliert dadurch mit einem Loch von zehn bis 13 Milliarden Euro im Jahr. Außerdem soll die EU neue Aufgaben schultern, beim Grenzschutz, der Verteidigungspolitik und bei der Digitalisierung. Wenn die EU handlungsfähig bleiben soll, braucht sie mehr Geld.

Ist der Vorschlag amtlich?

Die Zahlen sind noch nicht beschlossene Sache. Der EU-Haushalt muss zum einen vom Europa-Parlament mit einfacher Mehrheit beschlossen werden. Zum anderen, das ist die größere Hürde, müssen alle 27 Mitgliedstaaten einstimmig zustimmen. In den Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten werden letztlich erst die Beiträge bestimmt, die die jeweiligen Hauptstädte nach Brüssel überweisen. Oettinger rechnet damit, dass auf der Basis seines Vorschlages Deutschland deutlich höhere Zahlungen an die EU leisten müsste: ab 2021 jedes Jahr elf bis zwölf Milliarden Euro zusätzlich. Deutschland hat unter dem Strich 2016 knapp 13 Milliarden Euro mehr nach Brüssel überwiesen als es aus der EU-Kasse bekam. Die neue Bundesregierung hat sich bereits dazu bekannt, mehr Geld für die EU zu zahlen. In einer ersten Stellungnahme ließen Außenminister Heiko Maas  und Finanzminister Olaf Scholz (beide SPD) dennoch Kritik anklingen: „Der Vorschlag würde die Mehrbelastung Deutschlands erheblich erhöhen.“ Es müsse zügig verhandelt werden. Sie mahnen „eine faire Lastenteilung aller Mitgliedstaaten“ an. An anderer Stelle zeichnet sich massiver Widerstand gegen Oettingers Vorschlag ab. Die Niederlande, Österreich und andere Mitgliedstaaten, die mehr einzahlen als sie heraus bekommen (Nettozahler), bestehen darauf, dass die mit dem Brexit kleiner werdende EU auch mit weniger Geld auskommt.

Wer sind die Verlierer?

Die Mittel für Bauern und Investitionen in wirtschaftlich rückständige Regionen in der EU sollen gekürzt werden – jeweils um fünf Prozent. Für die deutschen und österreichischen Landwirte fallen die Einbußen noch höher aus. Bisher bekommen die Landwirte in den neuen Mitgliedstaaten bei den Direktzahlungen je Hektar Land rund 100 Euro weniger als die Landwirte im Westen (280 Euro). Bis 2027 sollen die Direktzahlungen in Ost und West bis auf 90 Prozent angeglichen werden.

Wer sind die Gewinner?

Das Programm für junge EU-Bürger, Erasmus und EU-Solidaritäts-Corps, bekommt mit 31,3 Milliarden Euro doppelt so viel Geld wie in der laufenden Finanzplanung. So sollen statt vier Prozent eines Jahrgangs zehn Prozent eine Chance auf einen geförderten Auslandsaufenthalt bekommen. Die Ansätze für Grenzschutz, Migration und Asyl werden auf 33 Milliarden Euro nahezu verdreifacht. Statt bisher 1800 könnte die EU 2027 rund 10 000 Grenzschützer haben. Für die Forschung will Oettinger 50 Prozent mehr ausgeben. Die Ausgaben für eine gemeinsame Verteidigungspolitik der EU sollen um 40 Prozent steigen. Für die Digitalisierung will die EU mit zwölf Milliarden Euro neunmal so viel ausgeben wie bisher.

Wo betritt die EU Neuland?

Erstmals will Brüssel die Auszahlung der EU-Mittel an die Mitgliedstaaten davon abhängig machen, dass sie die Unabhängigkeit der Gerichte wahren und die Prinzipien der Rechtstaatlichkeit nicht mit Füßen treten. Der Kommission soll als Hüterin der EU-Verträge künftig das Recht zustehen, Rechtstaatsverstöße festzustellen und im Gegenzug die Auszahlung von EU-Geldern zu stoppen und Rückforderungen zu stellen.

Wie soll der Haushalt finanziert werden?

Der Britenrabatt und andere Rabatte werden gestrichen. Neben den Beiträgen der Mitgliedstaaten will Oettinger der EU mehr Eigenmittel verschaffen. Eine neue Plastiksteuer, drei Prozent von der Körperschaftsteuer sowie ein Fünftel aus dem Emissionshandel sollen der EU im Jahr 20 Milliarden Euro einbringen.

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