Deutschlands Botschafter in Luxemburg im TV-Interview: "Wir verstehen uns hier fast blind!"

Luxemburg · Europa-Serie Teil 4: Deutschlands Botschafter in Luxemburg spricht über Kultur, Verkehr und die hohe Kunst der Diplomatie.

Er gehört wohl derzeit zu den angenehmeren Posten in der hohen Kunst der Diplomatie und den Auswärtigen Beziehungen, der Posten als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Luxemburg. Und doch bleiben auch Heinrich Kreft Abstimmungen mit dem Luxemburger Staat zu brenzligen internationalen Themen wie dem Brexit, den EU-Positionen gegenüber der Türkei und Mitgliedern wie Polen und Ungarn sowie in der Flüchtlingsfrage nicht erspart. Aber unter Freunden wie zwischen Deutschland und dem Großherzogtum ist das Vertrauen groß, und die Großregion ein wichtiges Vorbild für andere europäische Grenzregionen, wie der Botschafter im Interview mit dem Trierischen Volksfreund betont. Am Freitag, 8. September, lädt er zudem ein zum Dialog mit TV-Lesern (siehe Info).

Welches sind Ihre Hauptaufgaben als Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Luxemburg?
Heinrich Kreft: Als Vertreter des Bundespräsidenten habe ich natürlich die Interessen Deutschlands hier zu vertreten. Und das bedeutet im Wesentlichen die Pflege der Beziehungen zu Luxemburg und nicht nur zur Regierung, sondern auch zur Opposition und zur Zivilgesellschaft insgesamt. Luxemburg und Deutschland sind in internationalen Organisationen wie EU, Nato, OSZE, OECD und Vereinten Nationen vertreten. Da ist es wichtig, in diesen Organisationen Partner zu haben, die so oder so ähnlich denken wie wir. Je enger die Beziehungen zu einem Staat, desto leichter ist es, gemeinsame Standpunkte zu entwickeln. Es geht also nicht nur um die bilateralen Beziehungen an sich, sondern auch darum, gemeinsame Positionen in der EU zu finden.

Das deutsch-luxemburgische Verhältnis gilt traditionell als sehr freundschaftlich und eng. Warum benötigt es dennoch eine eigene Botschaft in Luxemburg?
Kreft: Die politischen Vertreter treffen sich zwar häufig auch in europäischen Gremien, aber auch da müssen die Sitzungen vorbereitet werden. Man hat dann vielleicht nur zehn Minuten, um miteinander zu sprechen. Deshalb ist die Abstimmung im Vorfeld ja auch so wichtig - und mit Luxemburg machen das eben wir an der Botschaft.

Plaudern Sie doch mal aus dem Nähkästchen: Gibt es zwischen den Staaten verteilte Rollen wie Good Guy - Bad Guy, also Gutem Verhandler - Bösem Verhandler?
Kreft: Absprachen auch zu Verhandlungen funktionieren am besten, wenn es eine gute persönliche Chemie zwischen Politikern gibt. Da sind wir wieder bei der Nähe. Die Politiker unserer beiden Länder sehen sich häufig und haben ein gutes Verständnis für die jeweiligen Positionen des anderen. Da bedarf es manchmal gar nicht langer Absprachen, sondern man versteht sich fast blind.

Sie sind seit einem Jahr in Luxemburg. Was schätzen Sie am Großherzogtum?
Kreft: An Luxemburg schätze ich die kurzen Wege, die Zugänglichkeit auch der Minister, des Premiers, der Verantwortlichen. Was mir besonders gefällt, ist das schon Südländische, das in der Kultur erkennbar ist - und nicht nur beim Essen, auch etwa bei der Begrüßung. Man ist schnell beim "Du". Das hatte ich so nicht erwartet.

Haben Sie persönliche Ziele, die sie in Ihrer Arbeit verwirklichen wollen?
Kreft: Ja, wir haben hier ein Unikat, nämlich das trilaterale Kulturinstitut Pierre Werner, ein gemeinsames deutsch-französisch-luxemburgisches Kulturinstitut. Ein solches Institut mit unterschiedlichen politischen und strukturellen Hintergründen auf eine solide Basis zu stellen ist nicht ganz einfach. Ich möchte das Institut bekannter machen. Für ein Kulturinstitut in Luxemburg ist es nicht leicht, einen eigenen Platz in der Kulturszene zu finden.
Mein zweites Anliegen ist die Wirtschaft. Ich möchte, dass die deutsche Wirtschaft noch sichtbarer, hörbarer und präsenter in Luxemburg wird. Wir haben die Deutsch-Luxemburgische Wirtschaftsinitiative DLWI, die auch eine enge Verflechtung etwa zur Industrie- und Handelskammer in Trier hat. Aber sie ist keine wirkliche Lobbyorganisation. Formell zuständig dafür ist die DeBeLux, die Deutsch-Belgisch-Luxemburgische Handelskammer, die aber in Brüssel sitzt. Wir wollen die Kooperation zwischen DLWI, DeBeLux und IHK Trier ausbauen, dabei aber keine Doppelstrukturen schaffen. Es gilt zu schauen, was benötigt wird und wie eine vernünftige Arbeitsteilung aussehen könnte.

30 000 Grenzgänger aus der Region Trier in Luxemburg, kulturelle Gemeinschaftsproduktionen in Theatern und Einkäuferströme zwischen den Staaten. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit in der Großregion ist selbst innerhalb der EU einmalig. Was beeindruckt Sie daran?
Kreft: Die Zahlen kannte ich schon. Aber es ist etwas anderes, diesen Austausch zu erleben. Und ich erlebe ihn permanent, ob in der Philharmonie auf dem Kirchberg, im Trifolion in Echternach oder die große Zahl der Luxemburger in Trier, die nicht nur zum Einkaufen kommen. Das Gute in der Region ist, dass man sich über die Angebote in der gesamten Großregion informiert. Und die Presse berichtet ja auch regelmäßig über die Großregion. Das finde ich gut, und es wird auch nachgefragt.

Wo sehen Sie Handlungsbedarf?
Kreft: Den gibt's vor allem bei der Verkehrsinfrastruktur, aber das ist natürlich ein ganz dickes Brett. Das Problem ist ja auch nicht neu. Hier und da sind zwar Teillösungen gefunden worden wie Park & Ride-Parkplätze. Aber ein ganz großer Bedarf ist die Anbindung an den Fernverkehr der Deutschen Bundesbahn. Hier muss etwas geschehen. Das ist auch enorm wichtig für die Wirtschaft. Denn manche Fachkräfte kommen nicht nach Trier oder Luxemburg, weil es keine solche Anbindung gibt. Es ist ein großes wirtschaftliches Manko. Da ist aber für einen Botschafter kaum etwas zu machen, außer der Dialogpflege und indem ich das Thema immer wieder auf die Agenda setze. Andere Themen ergeben sich aufgrund der großen Zahl der Grenzgänger, so die Besteuerung. Das Thema betrifft die Menschen sehr individuell und persönlich. Diese Fragen werden permanent auch innerhalb der Großregion gestellt, denn es ist für Arbeitnehmer aus Frankreich und Belgien gleichermaßen wichtig. Dadurch wird eine Lösung zwar nicht einfacher, und es dauert auch länger, aber das ist die Kärrnerarbeit der europäischen Integration.

Sehen Sie da die Großregion als EU im Kleinen, in der die EU von der Großregion lernen kann und umgekehrt?
Kreft: Absolut. Wir haben mit Luxemburg in der Großregion einen souveränen Staat, der die Themen von hier in Brüssel auf die Agenda setzen kann und es auch tut. Themen, die vielleicht von Paris und Berlin aus gesehen nicht so prioritär sind. Von daher profitieren gerade die Grenzregionen in der EU von der hiesigen Großregion. Für einige Themen ist die Großregion ein Laboratorium für die EU. Hier in der Großregion ist jedem die Bedeutung offener Grenzen klar. Das Luxemburg von heute ist nicht denkbar ohne offene Grenzen und damit auch der Lebensstandard in Luxemburg, aber auch der Region Trier. Für die EU und die Mitgliedstaaten ist es wichtig, ihren Bürgern die Vorteile der Integration deutlich und erfahrbar im Alltag zu machen. Diese liegen auf der Hand, wenn man hier wohnt, aber nicht unbedingt, wenn man zum Beispiel in der Mitte Deutschlands oder Frankreichs wohnt.

Im Gegensatz zu Ihren Kollegen derzeit in der Türkei, in Großbritannien, den USA, Russland oder Nahost haben Sie hier in Luxemburg eher ein ruhigeres Arbeiten unter Freunden. Was sind die Herausforderungen in der aktuellen Diplomatie?
Kreft: Innerhalb der EU ist dies der Brexit. Aber wir müssen versuchen, seine Folgen sowohl für die EU als auch für Großbritannien so gering wie möglich zu halten. Weitere Herausforderungen innerhalb der EU sind die Finanz- und die Flüchtlingskrise. Nach dem Kalten Krieg waren wir in Europa fast ausschließlich von Freunden umgeben. Mit der Türkei waren die Beziehungen so gut, dass wir Beitrittsverhandlungen initiiert haben. Mit den Staaten Nordafrikas gab es Projekte, sie noch stärker an die EU zu binden. Aber was wir jetzt an den Grenzen der EU sehen, ist ein "Ring of Fire", ein Feuerring vom Nordmeer bis zum Atlantik mit einem schwierigen Verhältnis zu Russland wegen der Ukraine, einem nicht enden wollenden Bürgerkrieg in Syrien, einer instabilen Situation in Ägypten und politischem Chaos in Libyen. Wir sind also umgeben von Konflikten allein schon in unserer Nachbarschaft. Dann kommen noch die globalen Herausforderungen dazu - die Bekämpfung des Klimawandels sowie der Aufstieg Chinas bei gleichzeitigem relativen Machtverlust der USA. Da geht es um das Management der globalen Stabilität.

Sind Sie persönlich in die Bewältigung dieser Herausforderungen miteinbezogen?
Kreft: Die Themen stehen alle auf der Agenda der EU-Räte in Brüssel und Luxemburg. Bei deren Vorbereitung sind natürlich unsere EU-Botschaften miteinbezogen. Ich diskutiere diese Themen natürlich auch mit den Kollegen im Luxemburger Außenministerium und den außenpolitischen Beratern des Premierministers. Leider gibt es in Luxemburg keine Denkfabriken mit außenpolitischer Expertise. Wir laden als Botschaft gelegentlich zu Veranstaltungen mit deutschen Denkfabriken ein - zuletzt zu Fragen der Migration, zu China und zur Regulierung der Finanzmärkte.

Sie sind also sowohl als Diplomat als auch als Schnittstelle im wirtschaftlichen Geflecht zwischen den Staaten und Akteuren eingebunden.
Kreft: Ja. Darüber hinaus will die Botschaft auch "ein guter Nachbar" sein. Wir wollen als Deutsche Botschaft sichtbar sein und uns in die Diskussionen einbringen. So können wir Themen auf die Agenda setzen, die auch für uns von Interesse sind.

Sabine SchwadorfExtra: BOTSCHAFTER MIT VIELEN VERSCHIEDENEN STATIONEN

(sas) Heinrich Kreft ist seit einem Jahr Botschafter der Bundesrepublik Deutschland im Großherzogtum Luxemburg. Der vierfache Familienvater kommt gebürtig aus Steinfurt und studierte Politikwissenschaften, Geschichte, Soziologie und Volkswirtschaft in Münster, Pennsylvania/USA und Paris. Seine ersten Stationen im diplomatischen Dienst waren Bolivien und Japan, bevor er in dem Planungsstab des Auswärtigen Amtes in Berlin für amerikanische und asiatische Wirtschaftspolitik zuständig war. 2001 ging er nach Washington/USA, zunächst in eine Denkfabrik, später als Leiter des Wirtschaftsdienstes der Deutschen Botschaft. Zwischen 2004 und 2014 war er wieder in Berlin im Planungsstab des Auswärtigen Amtes, als Referent für Außen- und Sicherheitspolitik der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sowie als Botschafter und Sonderbeauftragter für den Dialog zwischen den Kulturen tätig. Im September 2014 wurde er Stellvertretender Botschafter in Spanien. Seit Juli 2016 ist der 59-Jährige nun Botschafter in Luxemburg.Extra: DISKUTIEREN SIE MIT DEM BOTSCHAFTER!

 Porträt mit Flaggen und dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Hintergrund: Deutschlands Botschafter in Luxemburg, Heinrich Kreft, residiert in der Hauptstadt des Großherzogtums nahe dem Boulevard Royal und gleich gegenüber der Luxemburger Börse. Sein Wohnort ist die Residenz der Deutschen Botschaft, wo auch häufiger zu Empfängen, Vorträgen oder Veranstaltungen geladen wird. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Porträt mit Flaggen und dem Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier im Hintergrund: Deutschlands Botschafter in Luxemburg, Heinrich Kreft, residiert in der Hauptstadt des Großherzogtums nahe dem Boulevard Royal und gleich gegenüber der Luxemburger Börse. Sein Wohnort ist die Residenz der Deutschen Botschaft, wo auch häufiger zu Empfängen, Vorträgen oder Veranstaltungen geladen wird. TV-Fotos (3): Friedemann Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)
Deutschlands Botschafter in Luxemburg im TV-Interview: "Wir verstehen uns hier fast blind!"
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(sas) "Welches Europa wollen wir?" Über diese Frage können Volksfreund-Leser am Freitag, 8. September, mit dem deutschen Botschafter Heinrich Kreft diskutieren, der Deutschland in Luxemburg vertritt. Das Auswärtige Amt und der Trierische Volksfreund laden an dem Tag ab 18.30 Uhr im Rahmen der Diskussionsreihe "Außenpolitik live - Diplomaten im Dialog" ins Medienhaus, Hanns-Martin-Schleyer-Straße 8, in Trier ein. Die Teilnahme ist kostenlos, eine Anmeldung erforderlich unter Telefon 0651/71990. Anmeldeschluss ist Montag, 4. September.

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