Diätenerhöhung – sinnvoll oder maßlos?
Berlin · Schon im Vorjahr sollten die Diäten für die Bundestagsabgeordneten steigen. Doch am Ende fürchtete Schwarz-Gelb den Gegenwind. Nun plant die große Koalition den ganz großen Durchmarsch.
Bereits an diesem Freitag wollen Union und SPD einen Gesetzentwurf ins Parlament einbringen, der eine Anhebung der Bezüge um insgesamt fast zehn Prozent auf 9082 Euro vorsieht. Die Opposition und der Bund der Steuerzahler laufen Sturm gegen das Vorhaben.
Der Fraktionsgeschäftsführer der Union, Michael Grosse-Brömer ließ am Dienstag eigens ein Argumentationspapier an die Presse verteilen, um die brisante Neuregelung zu rechtfertigen. In dem Papier wird an die Empfehlungen einer unabhängigen Expertenkommission erinnert, die schon Anfang 2013 angeregt hatte, die Tätigkeit von Bundestagsabgeordneten im Hinblick auf die Vergütung mit der von obersten Bundesrichtern zu vergleichen. Deren Besoldung inklusive Zulage liegt derzeit bei 9081,51 Euro im Monat. Das Salär der obersten Volksvertreter beträgt aktuell 8.252 Euro. Um die Differenz abzubauen, soll es zum 1. Juli 2014 und zum 1. Januar 2015 jeweils einen Zuschlag von 415 Euro geben. Binnen eines halben Jahres würden die Diäten also um 830 Euro zulegen. Nach Angaben des Internet-Portals preisvergleich.de wären die Bundestagsabgordneten damit die absoluten Spitzenverdiener unter allen Parlamentariern im EU-Raum. Bislang liegen sie hinter Frankreich auf Platz 2.
Bei den weiteren Anpassungen will sich Schwarz-Rot ebenfalls an die Empfehlung der Experten halten. Demnach sollen die Diäten künftig an die allgemeine Bruttolohnentwicklung der Arbeitnehmer gebunden werden. Damit ginge die Bezahlung der Abgeordneten "genauso rauf und runter" wie die der Arbeitnehmer, meinte Grosse-Brömer, und auch der Vorwurf der "Selbstbedienungsmentalität" wäre entschärft.
SPD-Fraktionsgeschäftsführerin Christine Lambrecht sprach ebenfalls von einer sinnvollen Reform. Auch Landräte verdienten ähnlich wie oberste Richter. Diese Vergleichsgröße sei richtig, denn auch Abgeordnete seien in ihren Entscheidungen unabhängig und schüfen Regeln, die für die ganze Bundesrepublik gelten würden. Und als Wahlkreisabgeordneten repräsentierten sie ähnlich viele Menschen wie ein Landrat.
Lambrecht räumte allerdings auch ein, dass es darüber noch kritische Diskussionen geben werde. Und die kamen prompt. Grüne und Linke lehnten den Vorstoß unisono als maßlos ab. Wenn man sich die eher stagnierende Lohn- und Kaufkraftentwicklung der Bevölkerung anschaue, dann sei die geplante Aufstockung der Diäten "indiskutabel hoch", meinte die Parlamentsgeschäftsführerin der Linken, Petra Sitte. Ähnlich verhält es sich nach ihrer Ansicht mit den ebenfalls geplanten Änderungen bei den Abgeordneten-Pensionen. Angesichts des stark sinkenden Rentenniveaus bei den gesetzlich Versicherten seien sie "nicht sachgerecht", bemängelte Sitte.
Dagegen vertrat Lambrecht die Auffassung, dass die Anhebung der Diäten nur im "Paket" mit den Kürzungen bei den Pensionsansprüchen vertretbar sei. So soll die bisherige Möglichkeit entfallen, wonach ein Abgeordneter nach 18 Jahren im Bundestag schon mit 57 Anspruch auf eine abschlagsfreie Rente hat. Das sei "ein harter Einschnitt", meinte Lambrecht. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Höchstpension für Langzeitparlamentarier von 67,5 auf 65 Prozent der Diäten sinken soll. Gemessen an den deutlich höheren Bezügen zum 1. Januar 2015 wären das allerdings 5903 Euro und damit gut 330 Euro mehr als heute. Zum Vergleich: Ein Durchschnittverdiener bekommt nach 45 Versicherungsjahren aus der gesetzlichen Rentenkasse gerade einmal 1266 Euro (Im Osten: 1158 Euro).
Auch der Bund der Steuerzahler ging mit den schwarz-roten Plänen hart ins Gericht. "Die Art und Weise des Vorgehens ist mehr als befremdlich", sagte Verbandspräsident Reiner Holznagel unserer Zeitung. Das Gesetz werde in einem Tempo durchgeboxt, dass noch nicht einmal alle Bundestagsabgeordneten wüssten, was da genau vor sich gehe. Holznagel verlangte einen grundlegenden Paradigmenwechsel bei der Altersversorgung der Abgeordneten. Sie müssten endlich eigene Beiträge für ihre Rente leisten.