Justiz Die Abschiebung kann warten

Trier · Khan A. soll nach Afghanistan abgeschoben werden, verhindert dies aber mit Tricks. CDU-Innenexperte Lammert platzt der Kragen.

Anfang April platzte dem rheinland-pfälzischen CDU-Innenexperten Matthias Lammert der Kragen. „Warum sollte er eine Duldung bekommen?“, echauffierte sich Lammert über die ausbleibende Abschiebung eines zuletzt in Prüm lebenden abgelehnten afghanischen Asylbewerbers. Was Lammert und auch andere so fuchste: Der damals 22 Jahre junge Afghane hatte die deutschen Behörden monatelang zum Narren gehalten, indem er sich selbst der Mitglied­schaft in einer terroristischen Vereinigung bezichtigte. Demnach war er als Leibwächter eines Taliban-Kommandeurs angeblich in mindestens 50 Fällen dabei, als von den radikal-islamistischen Extremisten zum Tode verurteilte Afghanen abgeholt und später ermordet wurden.

Auf diesen Angaben des im Juni 2015 über den Iran und die Türkei nach Deutschland geflüchteten Afghanen fußten seine spätere Festnahme durch ein Mobiles Einsatzkommando der Polizei und schließlich der Prozess vor dem Koblenzer Oberlandesgericht.

Die Bundesanwaltschaft warf dem vermeintlich geständigen jungen Mann unter anderem Beihilfe zum Mord und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung vor. Dass der Vorwurf am Ende des Prozesses, der sich über ein halbes Jahr lang hinzog, nicht zu halten war, lag an dem Angeklagten selbst: Er widerrief sein Geständnis und begründete die falschen Angaben mit dem gut gemeinten Rat eines Bekannten, mit einer solchen Legende einfacher Asyl in Deutschland zu bekommen. Eine durchaus gängige Praxis unter afghanischen Asylbewerbern, wie Experten in dem Koblenzer Verfahren erläuterten.

Ohne Geständnis des Angeklagten hatten die Koblenzer Richter am Ende aber nichts in der Hand, um Khan A. zu verurteilen. „Ein weises Urteil“, freute sich nach dem Freispruch durch die Kammer Anfang Dezember vergangenen Jahres der Verteidiger des bis dahin in Untersuchungshaft sitzenden Angeklagten.

Auf Anfrage des CDU-Landtagsabgeordneten Matthias Lammert teilte das Mainzer Integrationsministerium vor einiger Zeit mit, dass der junge Afghane während seiner Zeit in Untersuchungshaft Kosten in Höhe von rund 44 000 Euro verursacht habe. Lammert wollte seinerzeit zudem wissen, ob man den Afghanen nicht für die Kosten in Regress nehmen könne, weil er seine Taliban-Vergangenheit frei erfunden habe. Eine rein rhetorische Frage. Woher hätte Khan A. das Geld auch nehmen sollen?

Eigentlich lief zu diesem Zeitpunkt alles auf eine Abschiebung des jungen Mannes hinaus. Auch das Asylverfahren des zuvor abgelehnten Asylbewerbers war zu diesem Zeitpunkt beendet, weil der Anwalt auf zwei Aufforderungen des Trierer Verwaltungsgerichts nicht reagiert habe, wie Gerichtssprecherin Heidi Heinen damals unserer Zeitung sagte. Damit galt die Klage als zurückgenommen, „er könnte jetzt abgeschoben werden“, so Heinen.

Dass ihm die Abschiebung in sein Heimatland droht, davon hatte offenbar auch Khan A. Wind bekommen. Mehrere Gesprächstermine in der Kreisverwaltung Bitburg-Prüm ließ er angeblich ungenutzt verstreichen. Wäre er erschienen, dann wäre er nach Informationen unserer Zeitung von der Polizei festgenommen worden.

Khan A. tauchte unter, bis er im Juni dieses Jahres in Frankreich einen neuen Asylantrag stellte – unter falschen Personalien. Der Schwindel flog auf, Khan A. wurde festgesetzt und nach Deutschland rücküberstellt, wie dies im Amtsdeutsch heißt. Doch hier kam er wegen eines Antrags seines Anwalts abermals aus der Haft frei, konnte so der drohenden Zwangsabschiebung nach Afghanistan – zumindest vorläufig – erneut entkommen. Dieses Mal allerdings ganz legal.

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