"Die abstrakte Gefahr ist konkret geworden"

Der Bombenfund in Oberursel ist nach Einschätzung des Vorsitzenden des Innenausschusses des Bundestages, Wolfgang Bosbach (CDU), ein Beleg für die gute Polizeiarbeit. Er stehe aber auch für die Notwendigkeit eines verbesserten Zugriffs auf die Kommunikationsdaten potenzieller Täter, erklärte Bosbach im Gespräch mit unserem Berliner Korrespondenten Stefan Vetter:

Herr Bosbach, zuletzt war viel von einer abstrakten Terrorgefahr in Deutschland die Rede. Ist sie nun konkret geworden?
Wolfgang Bosbach: Eindeutig ja. Wir sprechen nur so lange von einer abstrakten Gefahr, bis wir konkrete Hinweise auf eine bestimmte Anschlagsplanung hinsichtlich Ort und Zeit haben. In Oberursel hatte sich das Geschehen schon so weit konkretisiert, dass die Polizei zugreifen musste.

Ziel des vereitelten Anschlags war offenbar eine Radsportveranstaltung, die aber trotzdem abgesagt wurde. Ist der Rechtsstaat damit vor dem Terrorismus eingeknickt?
Bosbach: Nein. Der Zugriff in Oberursel ist der Beginn weiterer Ermittlungen. Denn viele Fragen sind noch offen. Handelt es sich bei dem festgenommenen Ehepaar um mutmaßliche Einzeltäter oder um Mitglieder einer terroristischen Gruppe? Haben sie Hintermänner und Gehilfen? Wer hat ihnen bei der Besorgung der Zünder und des Sturmgewehrs geholfen? Da diese Fragen noch ungeklärt sind, musste die Polizei davon ausgehen, dass mögliche Tatbeteiligte den Anschlag verüben könnten.

Frei nach dem Motto "Jetzt erst recht"?
Bosbach: Richtig. Sicherheit zuerst. Deshalb war die Absage des Radrennens gerechtfertigt.

Ist dieser polizeiliche Erfolg einer Verkettung glücklicher Umstände geschuldet oder planvollem Handeln?
Bosbach: Es ist eine Kombination aus beidem. Zunächst einmal war es die aufmerksame Mitarbeiterin eines Baumarktes, die wegen des Kaufs einer großen Menge von Chemikalien stutzig wurde und die Polizei einschaltete. Aber weil die Festgenommenen falsche Angaben zu ihrer Person machten, war es eine gute Ermittlungsarbeit der Polizei, rasch die richtigen Personen zu finden.

Ist das nicht auch Beweis dafür, dass die Sicherheitsbehörden über ausreichende Instrumente zur Bekämpfung des Terrors verfügen, es also keine neuen Gesetze braucht?
Bosbach: Ja und nein. Wir haben nach dem 11. September 2001 zahlreiche Anti-Terror-Maßnahmen beschlossen, die sich bewährt haben. Aber auch der aktuelle Fall zeigt, dass uns noch ein zusätzliches Ermittlungsinstrument fehlt, und zwar Mindestspeicherfristen.
Sie meinen die Vorratsdatenspeicherung. Was hat dieser Fall damit zu tun?
Bosbach: Gerade zur Beantwortung der Fragen nach den Hintergründen und weiteren Tatbeteiligten ist die Auswertung der Telekommunikationsbeziehungen der Festgenommenen in den letzten Wochen und Monaten von überragender Bedeutung. Im Moment hängt es von der Geschäftspolitik der Provider und der Tarifwahl der Betroffenen ab, ob diese Verbindungsdaten noch vorhanden sind oder nicht. Die kürzlich getroffene Vereinbarung zwischen Union und SPD zur Speicherfrist von zehn Wochen muss deshalb zügig umgesetzt werden.

Gegenwärtig zieht auch die BND-Affäre weiter Kreise. Die SPD wirft dem Kanzleramt Versagen bei der Aufsicht über den Auslandsgeheimdienst vor. Wie sehen Sie das?
Bosbach: Auch die SPD sollte der Versuchung widerstehen, ein Urteil zu fällen, bevor der Sachverhalt vollständig aufgeklärt ist. Im Moment läuft die SPD Gefahr, sich genauso zu verhalten wie die Opposition, die ohne Kenntnis der Details schon Konsequenzen fordert.

Rechnen Sie mit personellen Konsequenzen? Im Kreuzfeuer der Kritik steht ja insbesondere der Bundesinnenminister.
Bosbach: Man sollte Thomas de Maizière die Chance geben, den Sachverhalt aus seiner Sicht in den zuständigen Gremien darzustellen, bevor man ein Urteil fällt. vetExtra

Der CDU-Politiker und Rechtsanwalt Wolfgang Bosbach (62, Foto: dpa) war von 2000 bis 2009 stellvertretender Vorsitzender der Bundestagsfraktion der Union und ist seit 2009 Vorsitzender des Innenausschusses des Deutschen Bundestages. red

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