"Die Anschläge werden nicht entscheidend sein"

Berlin · Berlin (has) Lange Zeit sah es so aus, als ob die britische Premierministerin Theresa May bei der an diesem Donnerstag stattfindenden Parlamentswahl einen klaren Sieg einfahren würde. Warum sich das geändert und welche Folgen eine mögliche Niederlage für den Brexit hätte, erklärt Großbritannien-Experte Gerhard Dannemann im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr Professor Dannemann, warum ist für Theresa May die Luft plötzlich so dünn geworden?Gerhard Dannemann: Das hat ganz konkrete Gründe. Der wichtigste Grund ist, dass das Parteiprogramm der Tories einige drastische Einschnitte im Sozialbereich vorsieht. Und am schädlichsten war wohl der Plan, dass Demenzkranke für ihre Pflege ihr ganzes Vermögen aufbrauchen sollten. Das wurde dann sehr schnell zurückgenommen, aber da war der Schaden schon entstanden.Welche Rolle spielen die Terroranschläge und die anhaltende Terrorgefahr in Großbritannien?Dannemann: Labour weist darauf hin, dass May als Innenministerin den Abbau von 19 000 Polizistenstellen gebilligt hat. May wiederum versucht gerade, durch harte Gegenmaßnahmen den Kritikern den Wind aus den Segeln zu nehmen. Es gibt aber schon sehr weitgehende Möglichkeiten der Überwachung, auch können Terrorverdächtige 14 Tage lang ohne richterlichen Beschluss festgehalten werden. Ich glaube auch nicht, dass die Terroranschläge wahlentscheidend sein werden. Könnte May denn tatsächlich noch verlieren?Dannemann: Eher nicht. Aber die Umfragen gehen diesmal unglaublich weit auseinander. Mal führen die Konservativen elf Prozentpunkte vor Labour, mal ist es nur ein Prozent. Letzteres wäre freilich schon fatal für Theresa May.Wenn May hinter ihren Erwartungen klar zurückbleibt, was bedeutet das dann für die Brexit-Verhandlungen?Dannemann: Eigentlich ist die Wahl von ihr ausgerufen worden, um ein starkes Mandat für die Brexit-Verhandlungen zu erhalten. Das ist die Ironie der Geschichte. Sollten die Tories mit May keine eigene Mehrheit mehr im Parlament erreichen, ist ihr Rücktritt unausweichlich. Interview Gerhard Dannemann

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