Die Botschaft Angela Merkels und ihrer Regierung lautet: Erwartet nicht allzu viel von uns!

Was denn die Überschrift über Angela Merkels Regierungserklärung sein werde, wurde ihr Regierungssprecher am Montag gefragt. Warten Sie's ab, lautete die Antwort.Das wäre tatsächlich ein passender Titel gewesen.

Denn die Kanzlerin hat zum Kernprojekt ihrer schwarz-gelben Regierung, der Steuerreform, gestern zwei zentrale Fragen weiterhin nicht beantwortet. Nämlich erstens, wann und in welcher Höhe die Steuern gesenkt werden, und zweitens, wo gespart wird, um den Vorgaben der grundgesetzlichen Schuldenbremse zu folgen. Die Rede ist von einer Neuverschuldung von demnächst rund 80 Milliarden Euro, die bis 2016 auf zehn Milliarden im Jahr heruntergebracht werden muss, bei gleichzeitiger Finanzierung zusätzlicher Steuersenkungen im Umfang von 24 Milliarden Euro. Viel Spaß!

Merkel hat beim Steuerthema den Koalitionsvertrag auffällig oft wörtlich zitiert. Sie wollte offenbar klarstellen: Was verabredet ist, gilt. Das gefiel der FDP, die diese Äußerungen als deutliche Ansage der Kanzlerin an die skeptischen CDU-Ministerpräsidenten empfand. Wahlweise auch als Arbeitshinweis für den ebenso skeptischen Finanzminister.

Beide aber, Wolfgang Schäuble ebenso wie der Bundesrat, werden sich noch melden. Dann, wenn die versprochene Steuerreform umgesetzt werden soll, nach den Wahlen im Mai in Nordhrein-Westfalen. Einen Kurs, den die Kanzlerin mutig nennt, weil er durch Ausgabenpolitik Nachfrage und damit auch Steuereinnahmen stimulieren will, werden sie noch mitmachen. Sobald dieser Kurs aber abenteuerlich wird, weil er den Bundeshaushalt nachhaltig ins Minus stürzt, Länderhaushalte zerstört und die Kommunen an den Rand eines Kollapses bringt, werden sie nicht mehr dabei sein. Das wird noch spannend.

Die schwarz-gelbe Regierung könnte sich zum Beispiel die Bildungsrepublik Deutschland auf die Fahnen schreiben. Also eine massive Anstrengung, die das Land hier nachhaltig voranbringt.

Sie könnte sich auch die dauerhafte Umstrukturierung der Sozialsysteme vornehmen, Entkoppelung des Aufkommens von der Arbeit und mehr Effektivität vor allem im Gesundheitswesen. Oder sie könnte sich, das wäre christlich und liberal, die Regierung der sozialen Gerechtigkeit nennen, die dafür sorgt, dass man von Vollzeitarbeit leben kann, die die Kinder- und Altersarmut bekämpft und die Schere von Arm und Reich schließt.

Sie könnte auch all diese Ziele gleichzeitig verfolgen. Doch Union und FDP tippen alles nur ein bisschen an, oft nur als Tätigkeitsnachweis.

Ihr Markenzeichen ist und bleibt für diese Legislaturperiode ein einfaches, niedriges und gerechtes Steuersystem. Das ist ausgerechnet jenes Ziel, das am wenigsten dringlich ist und am ehesten an der Realität leerer Kassen scheitert.

Und was bleibt dann als Botschaft?

Mehrfach meinte die Kanzlerin gestern, noch keine Regierung habe seit 1989 vor so großen Herausforderungen gestanden wie diese.

Das ist eine groteske Übertreibung, wenn man bedenkt, dass Helmut Kohl die Einheit, Gerhard Schröder das Platzen des Neuen Marktes und die Große Koalition die Finanzkrise zu bewältigen hatten.

Gleichzeitig meinte die Kanzlerin, ein Scheitern sei nicht ausgeschlossen. Zusammengefasst bedeuten diese defensiven Hinweise wohl: Erwartet nicht allzu viel von uns.

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