Die Chefin macht Urlaub

Heute wird das Haus der Bundespressekonferenz in Berlin noch einmal voll werden. Angela Merkel steht den Journalisten Rede und Antwort, sie will eine Zwischenbilanz ziehen. Real aber wird es vor allem um Schäuble und andere Koalitions-Nickligkeiten gehen.

Berlin. Eine Woche später verlässt auch die Kanzlerin mit ihrem Mann das immer stiller werdende Regierungsviertel, zunächst in Richtung Bayreuther Festspiele, dann an einen noch geheimen Urlaubsort. Wahrscheinlich wieder Ischia. Zurück bleibt die Frage: Was kommt, wenn sie wiederkommt? Schon vor einem Jahr, als die Koalition gerade Tritt gefasst hatte, hatten Analysten beider Regierungsparteien auf das Problem hingewiesen: Mitte 2007 werde Schwarz-Rot die wichtigsten Teile des Koalitionsvertrages abgearbeitet haben - was dann? Die Überlegungen gingen bis dahin, so etwas wie ein Regierungsmanifest für die zweite Halbzeit zu formulieren. Denn, so die Einschätzung, ohne erneuerte gemeinsame Aufgabenstellung werde die Zusammenarbeit schnell unter Spannung geraten, zumal 2008 wichtige Landtagswahlen anstehen. Das Argument ist noch wichtiger geworden, seit die schwächelnde SPD nach Profilierung sucht. Aus dem Neuanfang wird nichts, aber eine Erinnerung soll wenigstens aufgefrischt werden: die an die Klausurtagung von Genshagen im Januar 2006. Das Kabinettstreffen in dem Schloss südlich von Berlin ist so etwas wie ein Gründungsmythos der großen Koalition. Die Stimmung war prächtig, das Ergebnis mit dem 25-Milliarden-Investitionsprogramm gut, und mit der Losung "Sanieren, Reformieren, Investieren" wurde sogar eine Koalitionsphilosophie erfunden. Am Ende verließen alle Kabinettsmitglieder mit WM-Fußbällen in der Hand und großer Vorfreude die Tagungsstätte.Merkel hat alle Minister zusammengerufen

Ende August soll sich dies wiederholen, diesmal auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin, dem Gästehaus der Bundesregierung. Für zwei Tage hat Merkel alle Minister zusammengerufen, sie will ausdrücklich eine entspannte Gruppenatmosphäre schaffen. Alle Ressorts wurden gebeten, ihre offenen oder auch neuen Projekte aufzulisten. Fragt man freilich die Strategen der Parteien nach großen Vorhaben, so sind die Antworten zögerlich. Vieles, was schon verabredet sei, wie die Pflegereform, die Ausweitung des Entsendegesetzes oder auch die Reform der Erbschaftssteuer, müsse jetzt gesetzestechnisch im Detail umgesetzt werden. Das sei mitnichten unwichtig und auch nicht leicht. "Ob das gelingt, wird auch zeigen, wie stark der Zusammenhalt der Koalition noch ist", sagt einer aus dem Führungskreis. Nur: Neu sind alle diese Themen nicht und damit auch nicht befriedigend für die Öffentlichkeit. Die Koalition fürchtet Kommentare, dass sie ihren Ideenvorrat schon erschöpft habe. Nun werden plötzlich Randthemen in den Mittelpunkt gerückt und als neue, große Vorhaben präsentiert. Die Mitarbeiterbeteiligung etwa, auf die man sich noch in diesem Jahr einigen will. Wirklich wichtig aber sind drei andere Projekte, die noch nicht ausführlich im Koalitionsvertrag geregelt sind: der nationale Energieplan, inklusive Klimaschutz im Alltag, der Krippenausbau sowie die AntiTerror-Gesetze, die Schäuble fordert. Es sind zugleich die Themen, bei denen die Gegensätze zwischen Union und SPD derzeit am größten sind. Noch traut sich niemand in der Koalition vorauszusagen, ob die Klausur hier schon Ergebnisse zeitigen wird. Wenn zu diesen Themen aber keine Einigung gelingt, wird dieser Sommer für Angela Merkel auf längere Sicht wahrscheinlich die letzten ruhigen Wochen bringen.

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