Die Deutschen werden immer dicker

Sprichwörter rund ums Essen gibt es jede Menge. Zum Beispiel: "Liebe geht durch den Magen". Und siehe da, es stimmt: Singles sind dünner als Verheiratete. Das geht aus der zweiten "Verzehrstudie" der Bundesregierung hervor, die gestern in Berlin von Verbraucherminister Horst Seehofer (CSU) vorgestellt wurde.

Berlin. Die zentrale Aussage der Analyse ist allerdings eine andere: Die Deutschen sind zu dick - und immer mehr werden dicker. Je größer der Bauchumfang, desto größer auch das Risiko, in der Folge an Herz-Kreislauf-Problemen oder Diabetes zu erkranken. 66 Prozent der Männer und 51 Prozent der Frauen sind übergewichtig. Jeder Fünfte Bundesbürger ist "adipös", also übermäßig fettleibig. Mit dem Alter nimmt das Gewicht dank wachsender Trägheit zu. Über 30 Prozent der 60-Jährigen bringen zu viel auf die Waage. Die gute Nachricht: Das Phänomen der dicken Kinder relativiert sich im Alter von 14 bis 18 Jahren. Drei Viertel der Jugendlichen sind normalgewichtig. 20 000 Bundesbürger zwischen 14 und 80 Jahren wurden für die Studie nach ihren Ess- und Einkaufsgewohnheiten befragt, außerdem wurden sie vermessen und gewogen. Im zweiten Teil der Analyse, der im April präsentiert werden soll, wird es dann darum gehen, was die Dickmacher sind. So viel steht jetzt schon fest: Pommes, Pizza, Cola, Süßes, wer vor allem faul auf Fast Food setzt, der nimmt zu. Wer es hingegen abwechslungsreich und gesund mag, wer viel zu Obst und Gemüse greift und sich bewegt, bleibt dünner. Die Gefahren falscher Ernährung werden laut Studie erheblich unterschätzt. Unter zehn vorgegebenen Gesundheitsrisiken landeten Nahrungsmittel und Getränke hinter Zigaretten, Stress im Beruf und Verkehr auf dem vorletzten Platz. Die Bundesregierung will nun verstärkt auf Kampagnen für bessere Ernährung setzen. Im regionalen Kilo-Vergleich ist bei den Frauen ab 18 Jahren das Saarland Spitze: Laut Statistik sind 60 Prozent dort übergewichtig, in Hamburg (41 Prozent), Bremen (45 Prozent) und Rheinland-Pfalz (45 Prozent) leben hingegen die wenigsten dicken Frauen. Bei der Zahl der übergewichtigen Männer hält Schleswig-Holstein mit knapp 70 Prozent die rote Laterne, vor Hessen (68 Prozent) und Baden-Württemberg (67 Prozent). Die wenigsten dicken Herren leben in Hamburg (57 Prozent), Bremen und dem Saarland (60 Prozent). Herausgekommen ist auch, dass sich unter den Personen mit Hauptschul-Abschluss fast doppelt so viele Übergewichtige finden wie unter denen mit Abitur. Je höher die Schulbildung, das Netto-Einkommen und die berufliche Stellung, desto geringer das Körpergewicht. Besonders bei Frauen schlägt sich die Herkunft aus der sogenannten "unteren Schicht" in Kilos nieder: 35 Prozent sind adipös, in der "Oberschicht" sind es nur zehn Prozent. Bleibt die Frage nach den Kochkünsten. Zwei Drittel aller Frauen und ein Drittel der Männer halten sich für sehr gute bis gute Köche, besonders im Alter von 35 bis 50 Jahren. Ihre Fähigkeit zu kochen haben Drei Viertel der Frauen und fast die Hälfte aller Männer nicht aus Büchern oder dem Fernsehen - sondern von Mutti. Meinung Kochkünste allein reichen nicht Die Erkenntnisse sind nicht neu, es gibt schon zahlreiche Studien, dass die Deutschen immer dicker werden. Obwohl sich die meisten Menschen der Bedeutung einer gesunden Ernährung bewusst sind, sieht die Wirklichkeit eben anders aus. Der Grund dafür ist banal: Noch nie war es so einfach, sich so falsch zu ernähren. Jeder kann sich heute an jeder Straßenecke der Fast-Food-Kultur bedienen. Immer weniger Zeit wird für Essen aufgewendet, selber Kochen ist nicht mehr selbstverständlich, sondern zum Ritual geworden. Bundesverbraucherschutzminister Seehofer hat gestern richtigerweise betont, dass man gesunde Ernährung nicht von oben verordnen kann. Auch wenn es der Staat vielleicht gerne tun würde, um in der Folge Milliardenkosten im Gesundheitssystem zu sparen. Nur permanente Aufklärung führt dazu, dass sich verbreitet: Richtig Essen ist im Eigeninteresse jedes Einzelnen. Doch wahr ist auch: Gesunde Nahrung ist oft eine Geldfrage. Gegensteuern müssen deshalb insbesondere die Schulen. Richtige Verpflegung und Ernährungsbildung kann helfen, gerade der wachsenden Fehlernährung von Kindern und Jugendlichen entgegenzusteuern. Besonders die Ganztagsschule bietet hier große Chancen. nachrichten.red@volksfreund.de Extra Body-Mass-Index (BMI): Das ist eine Maßzahl für die Bewertung des Körpergewichts eines Menschen. Der BMI gibt einen groben Richtwert an. Berechnung: Die Körpermasse (Körpergewicht in Kilogramm) wird durch die Körpergröße in Metern zum Quadrat geteilt. Eine Frau ist 56 Kilo schwer, 20 Jahre alt und 1,70 Meter groß. Ihre Körpermassenzahl errechnet sich wie folgt: 56 kg durch (1,7 m · 1,7 m ergibt 19,38 kg/m². Somit liegt die Frau im Bereich des Normalgewichts. Neben dem Alter spielt auch das Geschlecht eine Rolle. Männer haben in der Regel einen höheren Anteil von Muskelmasse an der Gesamtkörpermasse als Frauen. Deshalb sind die Unter- und Obergrenzen der BMI-Werteklassen bei Männern etwas höher als bei Frauen. So liegt das Normalgewicht bei Männern im Intervall von 20 bis 25, während es sich bei Frauen im Intervall von 19 bis 24 befindet. Der BMI gibt lediglich einen groben Richtwert an und ist umstritten, da er die Statur eines Menschen und die individuell verschiedene Zusammensetzung des Körpergewichts aus Fett- und Muskelgewebe naturgemäß nicht berücksichtigt. Quelle: WikipediaHINTERGRUND Kennzeichnung von Lebensmitteln: Genaue Angaben zu Kalorien, Fett, Kohlenhydraten, Zucker und Salz müssen in Europa künftig auf Lebensmittelverpackungen stehen. Bisher sind diese Informationen freiwillig. Allerdings soll es kein EU-einheitliches Kennzeichen geben. Die Produzenten und nationalen Regierungen können über die Form der Angaben entscheiden. Die EU will nur vorschreiben, dass die Verpackungen die Nährwerte in Gramm oder Milliliter gut leserlich auf ihrer Vorderseite tragen.

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