Die Doppelrolle des neuen Kassenwarts

Die künftige Finanzpolitik der Bundesregierung stand im Mittelpunkt der gestrigen Bundestagsdebatte. Finanzminister Schäuble und der liberale Koalitionspartner waren teilweise unterschiedlicher Auffassung.

Berlin. (vet) Am Ende seiner Antrittsrede wurde Wolfgang Schäuble etwas unwirsch: "Ich schicke Ihnen mein Schulzeugnis zu", konterte der Bundesfinanzminister die zahlreichen Zwischenrufe von den Oppositionsbänken. "Mathematik", so Schäuble weiter, habe er bis heute "nicht verlernt".

Genau daran hegen SPD, Grüne und Linkspartei jedoch gewisse Zweifel. Die Steuern senken, den Haushalt sanieren und gleichzeitig in die Zukunft investieren - das widerspricht jeder mathematischen Logik. Auch Schäuble fiel die Erläuterung dieses politischen Spagats nicht leicht. Bei der ersten Bundestagsdebatte über die künftige Finanzpolitik der neuen Bundesregierung gestern in Berlin schlüpfte er in zwei unterschiedliche Rollen. Zum einen gab er den Mahner, der die Wirtschaftskrise noch längst nicht überwunden sieht, weshalb es auch keine "große Manövriermasse bei den Finanzen" gebe. Zum anderen verteidigte Schäuble die geplanten Steuersenkungen und Mehrausgaben der schwarz-gelben Koalition, die ab Januar zu einer dauerhaften Mehrbelastung von jährlich 8,4 Milliarden Euro für die öffentlichen Kassen führen. Das im Wachstumsbeschleunigungsgesetz enthaltene Maßnahmebündel stehe "nicht im Widerspruch" zur Haushaltskonsolidierung, beteuerte Schäuble. Nötig sei ein "vernünftiges Maß" zwischen Entlastung und Verschuldung, um das Wachstum zu beflügeln.

Die Opposition stellte eine wachstumsfördernde Wirkung von Steuersenkungen auf Pump generell in Frage. Sie bekam Rückendeckung vom unabhängigen Sachverständigenrat der Bundesregierung. In ihrem neuen Gutachten sehen die Wirtschaftsweisen in den nächsten Jahren keine "Notwendigkeit für tarifbedingte Einkommensteuerentlastungen".

In einem Interview hatte Schäuble Richtung FDP erklärt, "ein grundlegend neues Steuersystem ist nicht die Verabredung", weil das Geld dafür fehle. Im Bundestag verzichtete er auf eine Widerholung dieses Satzes. Die Liberalen gaben trotzdem Kontra: Ihr Haushaltsfachmann Otto Fricke zitierte die Koalitionsvereinbarung, die den Umbau des Steuertarifs "zu einem Stufentarif" vorsieht. "Das ist für die FDP ein grundlegend neues Steuersystem", hielt Fricke dem Minister entgegen.

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