Die erste Reihe des Wahnsinns

Genialität und Wahnsinn liegen nah beieinander. Manches kann so schlecht sein, dass es schon wieder super ist. Das weiß jetzt auch die ARD. Über eine Stunde lang herrschte am Freitagabend Stromausfall und damit Funkstille in Bremen, von wo aus der Bundesliga-Auftakt live übertragen werden sollte.

Der Super-Gau für jeden Programmdirektor. Wie dann das große, mächtige "Erste" die Selbstironie spontan zum Konzept erhob und Künstlern eine Primetime-Plattform bot, die normalerweise nicht einmal mehr fürs Frühstücks-Fernsehen taugen - das war schon beeindruckend. Das "Erste" bastelte aus dem Nichts (und ohne es zu merken) die Lachnummer der Fernseh-Woche. Nach einer anfänglichen Lobhudelei auf Meister Bremen ging das Niveau so rasant runter, dass sich selbst ein Nullsender wie "Neun live" dagegen fast wie Arte fühlen konnte: Erst durfte der furchterregende DJ Ötzi mit "Hey Baby" ran. Und wer das schon für den Tiefpunkt hielt, wusste nicht, dass Jürgen Marcus ("Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben") immer noch singt. Nach der vollen Grusel-Packung legten die ARD-Verantwortlichen nach: So wurde in Auszügen Vicky Leandros' Olympia-Show wiederholt - schon am Vorabend war der beherzte Griff in die "Griechenland=Gyros"-Klischeekiste gnadenlos gefloppt. Spätestens danach war klar: Langsam wird es genial - wer umschaltet, verpasst womöglich, wie der Programm-Praktikant vielleicht noch seine Dia-Impressionen vom Kroatien-Urlaub in die "erste Reihe" in den Wohnzimmern schickt. Oder wie Gerd Delling den Januar-Wetterbericht kommentiert. Oder die ARD pflichtschuldig den Offenbarungseid zum Krisenmanagement über den Schirm jagt. Schade, schade, daraus wurde nichts - es kam doch noch Fußball. a.feichtner@volksfreund.de

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