Die EU überstimmt London und Merkel die FDP

Die Europäische Union legt riskante Hedge-Fonds an die Leine. In Berlin ist Schwarz-Gelb umgeschwenkt und will nun auch eine Finanztransaktionssteuer einführen.

Berlin. Die Spekulanten geraten immer mehr unter den Druck. Weder die Euro-Finanzminister noch die Bundesregierung sind bereit, den 750-Milliarden-Rettungsschirm aufzuspannen, ohne gleichzeitig die Spielregeln an den Finanzmärkten zu verändern. Die EU setzte gestern die Registrierung und enge Kontrolle der Hedge-Fonds gegen das Votum Großbritanniens durch, und in Berlin einigte sich die Koalition darauf, für eine Besteuerung der Finanzmärkte einzutreten, was vor allem die FDP bisher abgelehnt hatte. National wie europaweit sollen zudem die sogenannten Leerverkäufe und nicht gedeckte Kreditausfallversicherungen verboten werden.

Noch vor zwei Wochen, beim Griechenland-Rettungspaket, war eine Einigung mit der SPD am Veto der Liberalen gescheitert; damals allerdings war auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) noch äußerst kritisch gegenüber der Finanzmarkttransaktionssteuer eingestellt. Bei der wird jede Handelsbewegung mit einer Abgabe von rund 0,05 Prozent auf den Umsatz belegt, was allein in Deutschland jährlich einen zweistelligen Milliardenbetrag erbringen soll. Merkel verwies auf eine Stellungnahme des Internationalen Währungsfonds, der eine andere Art der Besteuerung besser fand, nämlich die sogenannte Finanzaktivitätssteuer. Bei der werden die Gewinne und Bonuszahlungen als Maßstab herangezogen. Sie bringt wesentlich weniger Geld ein, ist laut IWF aber zielgenauer als die Transaktionssteuer, die zudem auf die Kunden abgewälzt werden könnte. Die FDP war grundsätzlich gegen jede neue Steuer, während die CSU die Position der SPD teilte. Die SPD warf der Regierung vor, sie weigere sich, die Spekulanten an der Finanzierung der Kosten der Krise zu beteiligen. Gestern startete sie zusammen mit ihrer österreichischen Schwesterpartei SPÖ ein europaweites Volksbegehren. Parteichef Sigmar Gabriel präsentierte die Initiative in Berlin zusammen mit Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ), einem der eifrigsten Befürworter einer Finanzmarkttransaktionssteuer. Faymann: "Es geht darum: Wer zahlt die Rechnung der Krise? Wer soll die Suppe auslöffeln?"

Das sollen die Banken und Fonds sein - meint nun auch die schwarzgelbe Koalition. "Manchmal brauchen die Dinge eben etwas Zeit", sagte Unions-Fraktionsgeschäftsführer Peter Altmeier lapidar zu der Kehrtwende. Zwei Stunden waren es genau am Dienstagmorgen im Kanzleramt. Dann hatten die Koalitionsspitzen jenen Satz gefunden, den die Kanzlerin heute bei ihrer Regierungserklärung vortragen soll: "Die Bundesregierung wird sich auf europäischer Ebene und global für eine wirksame Finanzmarktbesteuerung, das heißt eine Finanzmarkt-Transaktionssteuer oder eine Finanzaktivitätssteuer, einsetzen". Das ist zwar noch immer keine klare Positionierung für die eine oder andere Steuerart, aber für die FDP ein Sprung. Und auch national legte die Koalition nach: Alle derzeit im Gesetzgebungsverfahren befindlichen Vorhaben, von der Bankenabgabe über die Neuordnung der Finanzaufsicht bis zum Verbot der Leerverkäufe, sollen beschleunigt werden. "Wir wollen die Jungs von den Finanzmärkten am Schlafittchen packen", sagte CSU-Landesgruppenchef Hans-Peter Friedrich triumphierend. Allerdings, der SPD ist eine mündliche Erklärung der Kanzlerin noch zu wenig. Sie macht ihre Zustimmung von weiteren Konkretisierungen abhängig. Viel Zeit dafür ist nicht. Am Freitag schon soll im Bundestag die Schlussabstimmung über das Rettungspaket stattfinden, bei dem Deutschland mit Kreditbürgschaften von rund 150 Milliarden Euro für die Schulden anderer EU-Staaten geradesteht. Der Bundesrat soll am gleichen Tag zu einer Sondersitzung zusammenkommen. Unklar ist, ob Bundespräsident Horst Köhler rechtzeitig aus China zurück ist, um das Gesetz noch Freitagnachmittag unterschreiben zu können; andernfalls soll das der amtierende Bundesratspräsident, Jens Böhrnsen (Bremen, SPD), als sein Stellvertreter machen.

Den Weg frei für eine schnelle Beschlussfassung machten auch weitere Entscheidungen in Brüssel, auf die vor allem Unions-Abgeordnete gedrungen hatten. So sollen Länder, die den Garantiefonds in Anspruch nehmen, einen europäischen Aufpasser über ihre Sparprogramme zugewiesen bekommen. Zudem soll jedes bürgende Land nur für seinen Anteil an dem jeweiligen Kredit haften und nicht für die Gesamtsumme. Deutschland ist nach dem geltenden Schlüssel immer mit 28 Prozent dabei.

Griechenland rief gestern die ersten 20 Milliarden Euro aus seinem Rettungspaket ab - und damit indirekt eine deutsche Bürgschaft von 5,6 Milliarden Euro.

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