"Die Euro-Krise ist noch nicht überwunden"

Trier · Mit dem Sieg der Konservativen in Griechenland hat sich eine Mehrheit für die Fortsetzung des Sanierungskurses des Landes ausgesprochen - eine Minimalvoraussetzung für den Verbleib Griechenlands in der Euro-Zone, analysiert der Trierer Finanzwissenschaftler Ludwig von Auer im TV-Interview.

Trier. Eine neue Regierung allein bedeutet noch keine Rettung für Griechenland. Das Land muss sich nun auch an die Sparvorgaben der EU halten, sagt der Trierer Finanzwissenschaftler Ludwig von Auer. TV-Redakteur Bernd Wientjes sprach mit ihm über die Folgen der Wahl und auch über einen möglichen Sieg der Griechen im EM-Spiel gegen Deutschland.

Haben die Griechen den Euro gewählt? Bleibt damit die Euro-Zone erhalten?
von Auer: Eine knappe Mehrheit der Griechen hat sich für die Fortsetzung des Sanierungsprogramms ausgesprochen. Dies ist die Minimalvoraussetzung, um Teil der Euro-Zone zu bleiben. An einem Austritt Griechenlands - dem sogenannten Grexit - würde die Euro-Zone aller Voraussicht nach nicht zugrunde gehen.
Welche Regierungsbildung wäre für den Erhalt der Euro-Zone wünschenswert, welche Konstellationen sind denkbar?
von Auer: Viele der als notwendig erachteten Reformen wurden zwar in Gesetze gegossen. Dies gelang jedoch nur in stark verwässerter Form. Angesichts der Verwaltungsdefizite können nicht einmal diese weichgespülten Gesetze in der Praxis umgesetzt werden. Eine Koalition aus der konservativen Nea Dimokratia und sozialistischen Pasok ohne Einbindung der von Alexis Tsipras geführten linksradikalen Syriza ist wahrscheinlich. Wie gewohnt wird Tsipras jegliche Sanierungsmaßnahmen mit konsequentem Populismus für sich ausschlachten und die Straße gegen die Regierung mobilisieren. Wie die notwendigen Reformen in diesem Spannungsfeld gelingen sollen, bleibt ein Rätsel.
Ist die Euro-Krise damit überwunden oder gibt es bald den nächsten Krisengipfel? Wie geht es weiter mit dem Euro?
von Auer: Die Euro-Krise ist noch lange nicht überwunden. Um die Trendwende in der Krise zu schaffen, müssen endlich mal positive Wirtschaftssignale aus Krisenländern wie Portugal und Spanien kommen, die viel beherzter als Griechenland auf Reformen gesetzt haben. Wenn dann die Entschlossenheit zur nachhaltigen Sanierung nicht nachlässt, kann die Euro-Krise überwunden werden.
Wird es nun für Deutschland teurer?
von Auer: Ein erfolgreicher Verbleib in der Euro-Zone wäre auch für Deutschland die finanziell günstigste Variante. Am teuersten wird es für Deutschland, wenn Griechenland noch eine Weile im Euro mitgeschleift wird, um dann schließlich doch, von den inneren Spannungen aufgezehrt, ausscheiden zu müssen. Dann lieber ein sofortiger Grexit.
Was muss Griechenland tun, um dauerhaft in der Euro-Zone zu bleiben?
von Auer: Die Länder der Euro-Zone können sich keine umfassenden Neuverhandlungen mit Griechenland leisten. Dies würde ihre Glaubwürdigkeit und damit auch ihre Verhandlungsmacht gegenüber den anderen Sorgenkindern wie Portugal, Spanien, Italien und Irland dauerhaft ruinieren. Griechenland kann nur im Euro-Raum verbleiben, wenn es die von außen geforderten Reformen zur Haushaltssanierung und zur Stützung des nachhaltigen Wachstums auch wirklich selbst will und umsetzt. Eventuell wäre es aber sinnvoll, der neuen griechischen Regierung ein paar rein kosmetische Zugeständnisse zu machen, um den Rückhalt dieser Regierung in der Bevölkerung zu stärken.
Sie sprachen es gerade an: Griechenland ist nur eine Baustelle, auch Spanien, Portugal und Irland zählen zu den Sorgenkindern. Was bedeutet die Wahl in Griechenland für diese Länder?
von Auer: Ein Sieg der linksradikalen Syriza und der damit fast unvermeidliche Grexit hätte für diese Länder sowohl die Risiken als auch die Chancen erhöht. Die Märkte hätten sich gefragt: Wer ist der Nächste? Allerdings hätten Deutschland und die anderen Stabilitätsländer der Euro-Zone nach einem Grexit mehr Freiheiten, den verbliebenen Sorgenkindern stärker entgegenzukommen.
Am Freitag steht Griechenland im EM-Viertefinale. Gegner ist Deutschland. Bestärkt das Wahlergebnis die Griechen vielleicht auch im Fußball? Was würde ein Sieg über Deutschland für das Land bedeuten?
von Auer: Der (portugiesische) Trainer der Griechen hätte bei keinem Wahlausgang Mühe gehabt, seine Mannschaft für das Spiel gegen Deutschland zu motivieren. Die Konsequenzen eines griechischen Sieges für die Zukunft des Landes sind unklar. Nur eine Konsequenz wäre gewiss: Griechenland wäre im Halbfinale. wie
Extra

Ludwig von Auer (46, Foto: privat) ist seit 2007 Professor für Volkswirtschaftslehre in Trier. Zuvor lehrte er von 2002 bis 2006 an der Universität Magdeburg und in Chemnitz. wie

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort