Die ewigen Rivalen

BERLIN. Heute will die FDP-Spitze mit Angela Merkel und mit Edmund Stoiber über Koalitionschancen reden – und alle wissen, die liberalen Verhandlungsführer Guido Westerwelle und Wolfgang Gerhardt sind tief zerstritten.

Westerwelle (43), durch den FDP-Wahlerfolg auch parteiintern gestärkt, will die ganze Macht. Neben dem Parteivorsitz möchte er auch die nunmehr 61-köpfige liberale Fraktion führen. Der gelernte Jurist hält sich für den ausgefuchsteren Strategen und den mit Abstand talentierteren Redner. Die Wahl des Fraktionschefs soll in der konstituierenden Sitzung der FDP-Bundestagsfraktion am kommenden Mittwoch erfolgen. Zunächst hatte es so ausgesehen, dass Gerhardt kampflos das Feld räumen würde. Schließlich war vor der Wahl mit Westerwelle abgesprochen worden: Gerhardt wird neuer Außenminister, Westerwelle der neue Gesamtführer der Partei. Auf den zweiten Teil der Absprache pocht der Parteivorsitzende jetzt. Dazu FDP-Generalsekretär Dirk Niebel gestern: "Natürlich hat der Parteichef als Wahlsieger das Zugriffsrecht auch auf den Fraktionsvorsitz." Da aber völlig offen ist, ob die Liberalen überhaupt mit an die Regierung und damit an Ministerposten kommen, "klammert Wolfgang Gerhardt, der als Ritter ohne Amt nicht gerne in die Bedeutungslosigkeit abdriften möchte", wie es einer der neuen FDP-Abgeordneten gestern formulierte.In der liberalen Fraktion sitzen 40 Prozent der Abgeordneten erstmals im Bundestag. Die neue Fraktion hat sich stark verjüngt. Und die Jungen "stehen eindeutig auf Westerwelle", wie es heißt. Doch Gerhardt hat nach wie vor viele ältere Verbündete in Fraktion und Partei, so dass es für Westerwelle nicht ohne Risiko wäre, in eine Kampfabstimmung zu gehen. In einem Vier-Augen-Gespräch, so hieß es gestern, wollten die beiden Spitzenliberalen jetzt zügig ihre Ansprüche klären.

Der Kampf um die Führungsmacht hat eine lange Vorgeschichte. Nach dem sensationellen Ergebnis bei der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen im Mai 2000 mit 9,8 Prozent waren sich der damalige FDP-Landeschef Jürgen Möllemann und der damalige FDP-Generalsekretär Guido Westerwelle einig: Wolfgang Gerhardt wird als Parteichef abgelöst. Sein Image galt als zu langweilig, dröge und bieder. Als "schnarchender Löwe von Wiesbaden" wurde der Hesse bespöttelt. Nach einem langen und quälenden Prozess setzte sich schließlich der als "Vermarkter des liberalen Zeitgeistes" gefeierte Westerwelle durch. Im Januar 2001 einigten man sich in einem Vier-Augen-Gespräch, künftig die Bundespartei "im Tandem" zu führen: Gerhardt als FDP-Fraktionschefs im Bundestag, Westerwelle als neuer Parteichef.

Die FDP wurde zur Spaßpartei umfunktioniert. Und Wolfgang Gerhardt litt sehr. Guido-Mobil und Big-Brother-Show sind zwei Stichworte für die Ausflüge ins seichte Fach, die gründlich daneben gingen. Am Ende erreichten die Liberalen nur magere 7,4 Prozent. Zum politischen "Rückspiel" holte Gerhardt im April 2005 aus, als er ohne Absprache mit dem Parteichef ein "Wahlprogramm 2006" präsentierte, das in den Reihen der Liberalen starken Beifall fand. Über Nacht haftete dem 61-jährigen Gerhardt auf einmal die Aura des liberalen Hoffnungsträgers an.

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