Die familienunfreundliche Republik

Viele Eltern in Deutschland fühlen sich einer Umfrage zufolge von der Gesellschaft gering geschätzt und klagen zudem über finanzielle Belastungen. Gleichzeitig haben sie klare Vorstellungen von der Erziehung ihrer Kinder.

Berlin. Über das Wohl der Kinder gibt es in Deutschland zahllose Untersuchungen. Meist drehen sie sich um Bildungsdefizite, mangelnde Betreuungsangebote oder eine scheinbar wachsende Verwahrlosung. Die Eltern stehen weniger im Fokus. Dabei prägen sie die Entwicklung des Nachwuchses am meisten. Eine repräsentative Befragung des Forsa-Instituts im Auftrag der Zeitschrift "Eltern" hat nun ermittelt, wie Väter und Mütter sich fühlen und wie sie im Alltag zurechtkommen. Ergebnis: Bis zu einem elternfreundlichen Land ist es noch ein weiter Weg.

Immerhin mehr als ein Drittel (36 Prozent) der befragten Mütter und Väter findet, dass Deutschland kein guter Platz für Familien ist. 90 Prozent erklären das mit zu hohen Lebenshaltungskosten. Fast 60 Prozent geben an, ihre Mitbürger würden Kinder als laut und lästig empfinden. Und 82 Prozent klagen darüber, dass Familien vom Staat zu wenig entlastet würden. Letzteres mag insofern erstaunen, als die öffentliche Hand jährlich satte 189 Milliarden Euro für Familien ausgibt. Sei es als Kindergeld oder in Form des Ehegattensplittings. Doch Eltern ticken anders. Nach Einschätzung von Psychologen vergleichen sie sich vornehmlich mit Paaren ohne Kinder. Und dabei wird die Schere als besonders schmerzlich empfunden: 77 Prozent meinen, wer Kinder hat, zahlt in unserem Land drauf. 44 Prozent klagen, sie müssten auf vieles verzichten, was sie sich ohne Kinder leisten könnten.

Dass sich Familie und Beruf hierzulande immer noch schwer vereinbaren lassen, ist keine neue Erkenntnis. Durch die Forsa-Studie wird sie allerdings mit teilweise überraschenden Details untermauert. Insgesamt 57 Prozent der Befragten sagen, sie hätten gern mehr Zeit für ihre Kinder, aber die Arbeitswelt habe dafür kein Verständnis. Mit rund zwei Dritteln überrepräsentiert sind in dieser Gruppe allerdings Eltern, die nur über einen Hauptschulabschluss und ein entsprechend geringes Monatseinkommen von unter 1500 Euro netto verfügen. Offensichtlich sind gerade billigere Tätigkeiten in besonderem Maße familienunfreundlich. Dabei war das familienpolitische Augenmerk zuletzt eher auf gut verdienende Eltern gerichtet. Ein weiteres Manko: Trotz Elterngelds und bezahlter Vätermonate ist Kinder-Erziehung immer noch vornehmlich Frauensache. Lediglich bei 29 Prozent der Eltern gehen beide Partner einem Beruf nach und kümmern sich dabei auch noch gleichermaßen um die Kinder. Dabei finden 62 Prozent aller Befragten genau diese Form der Arbeitsteilung am besten. Im Osten sagen das sogar 79 Prozent, im Westen 59 Prozent.

Ein Grund für die große Kluft zwischen Wunsch und Wirklichkeit dürfte auch hier in der Arbeitswelt liegen: Wenn der Mann deutlich mehr verdient als die Frau, oder die Mutter nur Teilzeit arbeitet, dann ist in aller Regel klar, wer für das Kind zuhause bleibt, beziehungsweise sich vorrangig um den Nachwuchs kümmert. Fast drei Viertel der Befragten finden, dass die schwierige Lage der Familien mittlerweile ins öffentliche Bewusstsein vorgedrungen ist. Allerdings nicht immer zu ihrem Nutzen. Rund 65 Prozent fühlen sich durch die breite Darstellung etwa von Kinderverwahrlosung in eine Art Sippenhaft genommen. Über Familien, so ihr Befund, werde in überwiegend negativem Zusammenhang berichtet.

Bliebe noch die positive Erkenntnis der Forsa-Umfrage nachzutragen: Rund die Hälfte der Eltern sieht bei ihrer Kinder-Erziehung keine nennenswerten Probleme. Und auf die Frage, was das Schönste im Leben mit Kindern sei, antworten fast zwei Drittel: "Dass ich sehen kann, wie meine Kinder sich entwickeln".

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