Die Folgen des milden Winters

Trier · Größer könnte der Unterschied zum vorigen Winter kaum sein: Der war kalt und schneereich, das Streusalz wurde knapp, und die Skilifte waren im Dauereinsatz. Nun gibt es stattdessen bei milden Temperaturen Sturm und Hochwasser, Bäume, die viel zu früh blühen, weniger Autounfälle und Heizkostenrückzahlungen.

Trier. Schlaftrunken rumst die Hornisse gegen die Fensterscheibe. Sie kann kaum fliegen, aber sie ist wach. Und das Anfang Januar - lange bevor der Winter endet, den sie eigentlich von Baumrinde geschützt verschlafen sollte. Auch ein Blick in die Gärten zeigt, dass mit diesem Winter etwas nicht stimmt: Neben Ringelblumen, die immer noch blühen, sprießen schon Schneeglöckchen. Es war für die Jahreszeit einfach zu warm.
Witterung: Nach Auskunft von Dominik Jung, Klimaexperte beim Wetterportal wetter.net, war der vergangene Dezember in der Region Trier drei Grad wärmer als im langjährigen Monatsmittel. Und auch viel nasser. Pro Quadratmeter fielen 145 Liter Regen - doppelt so viel wie sonst. Die Sonne hat im ganzen Monat nur 24 Stunden lang geschienen, 40 Prozent weniger als sonst. Dafür hat es gestern heftig gestürmt. Ein Winter, wie ihn Experten künftig wegen des Klimawandels öfter erwarten.
Pollenflug: Eine gute Sache hatte der Orkan Andrea jedoch - zumindest für Allergiker: Er bringt den Pollenflug im Moseltal vorübergehend zum Erliegen. Die Pollen stammen laut Deutschem Wetterdienst von Haselsträuchern, die in Rheinland-Pfalz bereits seit Ende Dezember blühen - sechs Wochen früher als im Schnitt der Vorjahre. Bleibt es so mild, dürften auch Erle und Birke deutlich eher loslegen als sonst. 2012 ist kein gutes Jahr für jene, die Heuschnupfen haben.
Für alle, die eine Heizrechnung begleichen müssen, ist der milde Winter hingegen von Vorteil. Denn sie können damit rechnen, dass sie für 2011 weniger zahlen als für das kalte Jahr 2010. Nach Auskunft der Stadtwerke Trier haben die Kunden 2011 etwa 17 Prozent weniger Gas verbraucht. Für einen Vierpersonen-Haushalt bedeutet dies laut Vertriebsleiter Matthias Sommer, dass die Stadtwerke 250 Euro zurückzahlen werden. Zieht man die Preissteigerung um 0,5 Cent pro Kilowattstunde (125 Euro pro Haushalt im Jahr) ab, bleibt unterm Strich immer noch eine Ersparnis von 125 Euro im Vergleich zu 2010. Wieviel diejenigen sparen, die mit Öl heizen, ist schwer zu beziffern. Allerdings dürfte es ähnlich sein. Denn wie der Verband für Energiehandel mitteilt, wurden 2011 rund 15 Prozent weniger Heizöl gekauft.
Einen positiven Effekt haben die Temperaturen auch auf den Arbeitsmarkt. Auf den Baustellen wird nach wie vor gearbeitet, und auch im Handel und der Industrie läuft es gut. Das für die Jahreszeit typische Hoch bei den Arbeitslosenzahlen blieb daher bisher aus. Und so lag die Zahl der Arbeitslosen in der Region erstmals seit vielen Jahren auch im Dezember unter 10 000.
Auch Landwirte freuen sich über die Witterung. Nicht nur, weil Grünland, Raps oder Wintergetreide gut gedeihen. "Wenn der Winter früh eingesetzt hätte, dann wäre kein Wasser mehr in den Boden gekommen", sagt Michael Horper, Vorsitzender des Bauernverbands Bitburg-Prüm. Und dieses Wasser wurde dort nach dem extrem trockenen November dringend benötigt. Auch Walter Clüsserath, Winzer und Vorsitzender des Bauern- und Winzerverbands Trier-Saarburg, freut sich über den Regen und kann auf Frost gut verzichten. "Man sieht jetzt noch die Frostschäden vom letzten Jahr", sagt er. Bitter sei das milde Wetter allerdings für diejenigen, die Eiswein machen wollten. Denn den kann es ohne Frost nicht geben (siehe Seite 14).
Ob die Menschen in der Region dieses Jahr noch Wintersport treiben können, steht in den Sternen. Bisher war dies nicht möglich. Für Klaus Hepp, den Betreiber der Wintersportanlage am Erbeskopf, und seine Kollegen am Schwarzen Mann oder der Hohen Acht in der Eifel bedeutet dies herbe Einbußen. "35 Prozent des zu erwartenden Umsatzes sind schon weg", sagt Hepp, dessen Lifte diese Saison noch gar nicht in Betrieb waren. 2010 hingegen sind sie vom 3. Dezember bis zum 5. Januar täglich gefahren. Hepp glaubt nicht daran, dass sich die Verluste noch ausgleichen lassen. "Es ist erbärmlich", sagt er und wünscht sich - ganz anders als viele Autofahrer - dringend Schnee.
Da der bisher nur sehr spärlich gefallen ist und die Straßen auch viel seltener glatt waren als 2010, musste bisher nur sehr wenig gestreut werden. Der Landesbetrieb Mobilität (LBM) Gerolstein hat im November und Dezember nur 3500 Tonnen Streusalz auf die Straßen des Vulkaneifelkreises und des Eifelkreises Bitburg-Prüm gebracht. Das sind 18 000 Tonnen weniger als im gleichen Vorjahreszeitraum. Und dieses Salz nicht kaufen zu müssen, bedeutet, satte 1,4 Millionen Euro weniger auszugeben. Dem LBM Trier hat das milde Wetter im Vergleich zum Vorjahr Ausgaben in Höhe von etwa 1,3 Millionen Euro erspart. Mindestens. Denn die Kosten für die vielen Arbeitsstunden und die Fahrzeuge sind noch nicht eingerechnet.
Wie zu erwarten, kommt es bei den günstigen Straßenverhältnissen auch zu weniger Autounfällen. Laut Monika Peters, Pressesprecherin des Polizeipräsidiums Trier, hat es im schneereichen Dezember 2010 1947 Unfälle gegeben. Vergangenen Dezember waren es "nur" 1788. Erstaunlich ist allerdings, dass die Zahl der Verletzten 2011 (253) dennoch deutlich höher war als 2010 (186). Peters vermutet als Ursache, dass die Fahrer bei Schnee langsamer und vorsichtiger fahren und die Unfälle daher glimpflicher ausgehen. Ein wesentlicher Wetterumschwung ist nicht abzusehen. Trotz der Abkühlung, die Orkan Andrea mit sich gebracht hat, brauchen vom Wetter verwirrte Tiere und Pflanzen vorerst keine gefährlichen Fröste zu fürchten.

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