"Die Frage ist, in welcher Gesellschaft wir leben wollen"

Trier · "Grün geht’s weiter", lautet der Titel des Wahlprogramms der rheinland-pfälzischen Grünen. Sie setzen neben Integration auf die bekannten Themen wie Klimaschutz und mehr Bürgerbeteiligung.

Trier. Dass er, als Grüner, einmal die Bundeskanzlerin lobt, das hätte Daniel Köbler auch nicht gedacht. Doch die Flüchtlingsdebatte lässt auch die tradierten politischen Feindbilder etwas verschwimmen. So steht auch der Chef der Grünen-Landtagsfraktion hinter der Kanzlerin.
Landtagswahl 2016


Zumindest was ihre Flüchtlingspolitik betrifft. "Das ist der richtige Kurs", sagt Köbler beim Volksfreund-Redaktionsgespräch. Daher sei es auch richtig, dass die Grünen diesen Kurs unterstützten. Zumal, wenn sich die Kanzlerin dabei ihrer eigenen Partei und Fraktion nicht sicher sein könne. Das bezieht Köbler auch auf die CDU-Landeschefin Julia Klöckner. Sie sei immer "sehr verständnisvoll für CSU-Chef Seehofer". Der bayerische Ministerpräsident attackiert seit Wochen die Kanzlerin, wirft ihr eine falsche Asylpolitik vor. Klöckner, die "nichts Besseres zu tun habe", als in einer solchen Lage erneut ein Burka-Verbot für muslimische Frauen zu fordern und sich über den verweigerten Handschlag eines Imams zu ärgern, müsse sich endlich entscheiden, auf welcher Seite sie stehe. Auf der von Merkel oder Seehofer.
Es ist aber nicht nur die CDU-Spitzenkandidatin, die den 34-Jährigen schäumen lässt. Auch über Parteifreunde ärgert sich Köbler derzeit. Konkret über den grünen Tübinger Oberbürgermeister Boris Palmer, der, anders als seine Partei, eine Obergrenze für Flüchtlinge fordert, der nicht glaubt, dass die Integration der Flüchtlinge in Deutschland gelingt und der auch am Kanzler-Wort "Wir schaffen das" ernsthaft zweifelt. Die Botschaft von Palmer sei "gefährlich und falsch" ärgert sich Köbler über seinen Parteifreund. "Die Frage ist doch, in welcher Gesellschaft wir leben wollen."
Die Antwort darauf findet sich in dem Wahlprogramm, das die Grünen gestern in Mainz vorgestellt haben. Die Partei stehe "für eine solidarische und weltoffene Gesellschaft". Deutschland habe viel Erfahrung bei der Aufnahme von Neuankommenden, heißt es in dem Papier, über das Ende November auf einem Parteitag abgestimmt werden soll. Köbler zweifelt nicht daran, dass die Integration der Flüchtlinge gelingen kann. "Es gibt keine Alternative", macht der Fraktionschef klar. Die Zuwanderung sei eine Chance für das Zusammenleben, den Arbeitsmarkt, die Gesellschaft insgesamt. Auch wenn nicht alle Asylbewerber gut ausgebildete Facharbeiter seien.
Grüne Leib- und Magenthemen


Dass das Flüchtlingsthema das beherrschende Thema im Wahlkampf sein wird, das steht für Köbler außer Zweifel. Trotzdem sollen die grünen Leib- und Magenthemen nicht zu kurzkommen. Wie etwa Klimaschutz- und Energiewende. Dabei setzen die Grünen wie gehabt auf mehr Windräder und wollen weg von der "schmutzigen Kohle". Sie fordern eine "Wärmewende" und schlagen ein Gesetz für mehr Öko-Energien beim Heizen vor. Ein wesentlicher Teil des Programms beschäftigt sich mit Teilhabe und Bürgerrechten. Die Grünen wollen nicht nur das Wahlalter auf 16 Jahre herabsetzen und Jugendlichen ermöglichen, sich bei Ratssitzungen stärker einzubringen, sondern auch die Hürden für Volksbegehren herabsetzen. Und dass solche Stadt- oder Kreistagssitzungen künftig auch live im Internet übertragen werden. Die kommunalen Spitzenverbände im Land haben diese Pläne in einem offenen Brief scharf kritisiert, nennen sie realitätsfern; man müsse sich fragen, ob es angesichts der Flüchtlingsdebatte keine "anderen Probleme" gebe. Köbler reagiert verärgert auf die Kritik der Kommunen. "Wir haben andere Probleme, als solche unverschämten Briefe zu schreiben." Mit derartigen Plattitüden bereiteten die Kommunen nur den Nährboden für Rechtspopulisten wie Pegida, sagt der 34-Jährige.
Köbler sieht die Grünen auf gutem Kurs: "Es läuft gut." Passend zum Titel des Wahlprogramms "Grün geht's weiter" werde seine Partei weiter im Land regieren. Und zwar mit der SPD. Und falls es doch nicht für Rot-Grün reicht und die FDP nicht der CDU als Wunschpartner für ein schwarz-gelbes Bündnis in Mainz zur Verfügung steht? Eine Koalition mit Klöckners CDU schließt Köbler aus. Zumindest derzeit.Extra

Energie: Drastische Senkung des Verbrauchs (Heizen). Nach Energiewende nun "Wärmewende" Verkehr: Kein Bau einer Mittelrheinbrücke Bildung: Womöglich gebührenfreies Zweitstudium Sicherheit: Verfassungsschutz soll stärker kontrolliert werden. Infos aus öffentlichen Quellen soll statt des Geheimdienstes eine öffentliche Stelle sammeln. Kommunen: Fortführung des Entschuldungsfonds.

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