Die Freude der Mütter

Berlin · Um Kritiker des geplanten Betreuungsgelds gnädig zu stimmen, denkt Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) an zusätzliche Rentenleistungen für Mütter. Bahnt sich da ein politischer Kuhhandel an? Diesen Eindruck will die Regierung vermeiden.

Berlin. Der Dauerkonflikt über das Betreuungsgeld hatte sich am Wochenende gefährlich hochgeschaukelt. CSU-Chef Horst Seehofer deutete gar einen Koalitionsbruch an, sollte das Lieblingsprojekt der Christsozialen am Widerstand der übrigen Regierungsparteien scheitern. Prompt versprach Unionsfraktionschef Volker Kauder zusätzlich zum Betreuungsgeld einen verbesserten Rentenanspruch für jene Mütter, deren Kinder vor dem Jahr 1992 geboren wurden. Davon würden auch die Frauen profitieren, deren Kind in eine Krippe ging. Beim Betreuungsgeld dagegen, das die CSU für ihre konservative Stammklientel als Alternative zum Krippenausbau initiiert hatte, soll die Leistung nur fließen, wenn sich die Mutter gegen eine öffentliche Betreuung ihres Kindes entscheidet. Es würde sogar dann fällig, wenn sie arbeiten ginge und die Betreuung durch Verwandte oder ein privat bezahltes Kindermädchen erfolgt.
Die Bundesregierung reagierte gestern erstaunlich zurückhaltend auf den Kauder-Vorstoß. "Da ist gar nichts entschieden, da ist gar nichts beschlossen", beschied der stellvertretende Regierungssprecher Georg Streiter. Und überhaupt seien Rente und Betreuungsgeld "zwei völlig eigenständige Dinge". Dabei war es die Kanzlerin persönlich, die beides schon im Vorjahr miteinander verquickt hatte. Bereits auf dem CDU-Parteitag Mitte November in Leipzig stand das Betreuungsgeld unter Beschuss. Um einen Anreiz für ärmere Familien zu vermeiden, ihr Kind bewusst von der Krippe fernzuhalten, wollte die Frauen-Union einen Beschluss durchsetzen, wonach das Betreuungsgeld nur in Form von Gutscheinen, etwa für eine spätere berufliche Weiterbildung der Mutter, ausgezahlt werden sollte. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) bot den Rebellinnen dar-aufhin einen Handel an: Ihr lasst eure Idee fallen, und wir bieten euch an, Mütter rentenrechtlich besser zu stellen.
So wurde es damals beschlossen, und so könnte es nun kommen. Jedenfalls ist Kauders Vorstoß nur alter Wein in neuen Schläuchen. Als Blaupause dient ein noch älterer CDU-Beschluss aus dem Jahr 2003, der nie umgesetzt wurde. Demnach sollen alle Mütter die gleichen Vergünstigungen bei der Alterssicherung haben, egal, wann ihr Kind zur Welt kam. Gegenwärtig ist es so, dass Frauen für Kinder, die nach dem ersten 1. Januar 1992 geboren sind, drei "Entgeltpunkte" gutgeschrieben bekommen. Dadurch werden Frauen so gestellt, als hätten sie in der Erziehungsphase drei Jahre lang einen Durchschnittslohn verdient. Für alle älteren Kinder bekommen die Mütter aber nur einen Punkt gutgeschrieben. Von der Zahl der Entgeltpunkte hängt die spätere Rentenhöhe ab. Würde das unterschiedliche Recht angeglichen, kämen Mütter mit einem vor 1992 geborenen Kind nach gegenwärtigem Stand auf etwa 50 Euro mehr Rente pro Monat. Durch den steigenden Wert der Punkte würde sich dieser Betrag längerfristig weiter erhöhen.
Was die Mütter freut, dürfte allerdings den Finanzpolitikern Kopfzerbrechen bereiten. Nach internen Berechnungen der Rentenversicherer würden die Kosten der Angleichung von 200 Millionen Euro im ersten Jahr auf rund sieben Milliarden Euro im Jahr 2030 steigen.
Von der Frauen-Union kam gestern erwartungsgemäß Lob für Kauders Ankündigung. "Erziehungsleistung muss besser anerkannt und Altersarmut von Frauen vorgebeugt werden", meinte ihre Vorsitzende Maria Böhmer. Über das Betreuungsgeld verlor sie kein Wort. Auch die CSU zollte Kauder Anerkennung: Sowohl das Betreuungsgeld als auch die rentenrechtliche Besserstellung seien richtig und notwendig, sagte Partei-Generalsekretär Alexander Dobrindt. Bei der Mittestandsvereinigung der Union stieß das Ansinnen dagegen auf scharfen Protest. Eingriffe in die Rentenstruktur seien in der Koalition "nicht vereinbart", winkte FDP-Fraktionschef Rainer Brüderle ab. Derweil bekräftigte die Opposition ihre Grundsatzkritik am Betreuungsgeld: "Damit wird Familienpolitik von vorgestern gemacht. Auch neue Vorschläge, das Betreuungsgeld mit einem milliardenschweren Kuhhandel durchzudrücken, ändern nichts an dieser Tatsache", sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast unserer Zeitung. Sollte das Betreuungsgeld trotzdem kommen, behalte man sich vor, eine Klage beim Bundesverfassungsgericht zu prüfen.
Der Streit über das Betreuungsgeld, so viel ist sicher, geht weiter.
Extra

Was die Besserstellung bei der Rente kosten würde: Im Streit über das Betreuungsgeld bringt Unionsfraktionschef Volker Kauder eine zusätzliche Sozialleistung ins Gespräch: mehr Rente für Eltern, deren Kinder vor 1992 geboren wurden. Eine solche Regelung würde nach Expertenschätzung jährlich mit sechs bis sieben Milliarden Eurozusätzlich zu Buche schlagen. Aufbringen müsste diesen Betrag wohl der Bund, und zwar aus Steuergeldern. Er zahlt bereits heute Beiträge von elf Milliarden Euro jährlich an die Rentenversicherung, um Eltern - meist sind es die Mütter - die Rente aufzubessern, indem Kindererziehungszeiten anerkannt werden. Nach aktuellem Stand entrichtet der Staat Beiträge zur Rentenkasse für drei Jahre Kindererziehung, wenn die Kinder nach 1992 geboren sind. Dies erhöht die Rente der Betroffenen nach den derzeitigen Werten im Westen um 82,41 Euro, im Osten um 73,11 Euro im Monat.Für Kinder, die vor 1992 auf die Welt kamen, gibt es dagegen bislang nur eine Rentenaufstockung von monatlich 27,47 Euro (West) und 24,37 Euro (Ost). Denn der Bund zahlt den Rentenbeitrag in diesen Fällen nur für ein Jahr, und zwar in Höhe eines Durchschnittsbeitrags. Die Betroffenen würden also bei Umsetzung des Kauder-Vorschlags - nach aktuellen Werten - monatlich zwischen 48,74 Euro und 54,94 Euro mehr Rente bekommen. dpa

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