Die Gesprächsbasis ist ziemlich bröckelig

Nach der Berliner Islamkonferenz kommt es zu unterschiedlichen Bewertungen: Während die Bundesregierung Durchhalteparolen ausgibt, üben die am Konferenztisch vertretenen Muslime knallharte Kritik.

Berlin. Viel war gestern vom "langfristig angelegten Prozess", von einer "Chance", von "Vernunft" und "Dialog" die Rede. Jede Menge Allgemeinplätze hatten die Teilnehmer der Islamkonferenz am Ende ihrer dreieinhalbstündigen Debatte parat. Denn eines wurde noch einmal offensichtlich: Es fehlt weiterhin nicht nur an konkreten Zielen, sondern auch die Gesprächsbasis scheint ziemlich bröckelig. Die Botschaft lautet Durchhalten!

Da nutzte es nichts, dass Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble (CDU) betonte: "Wir waren uns alle einig, dass der Prozess richtig ist, und er kommt auch gut voran." Durchhalten war seine Botschaft. Der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime, Axel Ayyub Köhler, wurde stattdessen deutlicher: "So kann es nicht weitergehen, dass man ziellos nur debattiert", kritisierte er. Nötig sei endlich ein gemeinsamer Plan für die Zukunft, so Köhler. Und der Generalsekretär der Alevitischen Gemeinde Deutschland, Ali Ertan Toprak, forderte eine politische Kultur gegenseitiger Anerkennung. Womit er zu-gleich das Kernproblem des zweiten Treffens der Islamkonferenz andeutete: Wer darf in Deutschland überhaupt für die Muslime sprechen? Im Islam gibt es keine den christlichen Kirchen vergleichbare Struktur mit klarer Mitgliedschaft und anerkannten Leitungsgremien. Schäuble sprach dem neu gegründeten Koordinierungsrat der Muslime (KRM) erneut den Alleinvertretungsanspruch ab: "Es gibt keinen Monopolanspruch." Der Rat vertritt nur einen Teil der rund 3,5 Millionen Muslime hier zu Lande, Schätzungen gehen von zehn Prozent aus. "Wir haben ein vielfältigeres muslimisches Leben in Deutschland, als es durch die vier Verbände repräsentiert wird, die sich in diesem Koordinierungsrat zusammengeschlossen haben", begründete der Innenminister. Ein solides Gesprächsfundament sieht jedenfalls anders aus. Vermutlich deshalb wird die Bundesregierung nicht müde, von einem jahrelangen Prozess bei der Integration von Muslimen zu sprechen. In Arbeitsgruppen geht es konfliktreich zu

Nach der ersten Konferenz im September 2006 waren mehrere Arbeitsgruppen gebildet worden. Sie befassen sich nun mit Wertefragen wie der Gleichberechtigung von Mann und Frau, Religionsfragen wie Islamunterricht an deutschen Schulen, verbesserten Arbeitsmarktchancen von Muslimen sowie Sicherheitsfragen. In jeder Gruppe soll es demnach ziemlich konfliktreich zugehen. Erste konkrete Ergebnisse dürften gleichwohl noch in diesem Jahr vorliegen. Unstrittig ist, dass alle Teilnehmer den Prozess als "gut und nützlich" ansehen und den säkularen Staat des Grundgesetzes anerkennen. Darüber hinaus, so wurde gestern betont, wird es womöglich Islamunterricht an staatlichen Schulen in Deutschland "in der Freiheitsordnung des Grundgesetzes" geben, wie der Minister meinte. Aber: Auch hier sieht Schäuble noch jede Menge Klärungsbedarf. Meinung Gut, dass wir geredet haben Palaver, werden böse Zungen sagen. Dialog die vernünftigeren. Auch die zweite Islamkonferenz unter Vorsitz von Innenminister Wolfgang Schäuble hat kein greifbares Ergebnis gebracht. Außer eben, dass man überhaupt miteinander geredet hat. Aber das ist tatsächlich das Wichtigste. Die Spannungen zwischen den Religionen und Kulturen brauchen ein Forum, damit sie sich nicht unkontrolliert entladen. Deutlich geworden ist schon mit der zweiten Runde dieses Dialogs, dass der Islam in Deutschland kein einheitlicher Block ist. Da gibt es auf der einen Seite Strenggläubige und Traditionsverhaftete und auf der anderen Seite - wohl klar in der Mehrheit - solche, die das hiesige Verständnis von Toleranz, Gleichberechtigung der Geschlechter und die Trennung von Kirche und Staat akzeptiert haben. Für den Islam in Deutschland kann kein Verband allein sprechen, schon gar nicht der konservative Islamrat. Schäuble hat richtig gehandelt, wenn er dessen Monopolanspruch zurückwies und zugleich das Gesprächsangebot offen hielt. meinung@volksfreund.de

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