Die Halbwertzeit der guten Kontakte

Berlin · Natürlich fehlte Ronald Pofalla (CDU) gestern im Bundestag. Die durch seinen geplanten Wechsel zur Bahn ausgelöste Debatte um mehr Sauberkeit in der Politik wollte er sich nicht antun.

Berlin. Linke und Grüne forderten eine gesetzlich verankerte Wartezeit für Regierungsmitglieder, bevor sie einen Job in der Privatwirtschaft aufnehmen. Die SPD hatte eine solche Karenzzeit plus Verhaltenskodex noch in ihrem Wahlprogramm stehen, ist jetzt als Regierungspartei aber mit Rücksicht auf die Union für eine weichere Regelung: eine Selbstverpflichtung des Kabinetts.
Allerdings, ein verfassungsfestes Gesetz ist offenbar schwierig zu formulieren, denn auch für Politiker gilt das Recht auf freie Berufswahl. Die Oppositionsparteien legten wohl aus diesem Grund keine detaillierten Entwürfe zur Abstimmung vor. Für den Unions-Redner Hans-Peter Uhl war das der Beweis, "dass dieser Sachverhalt per Gesetz nicht regelbar ist". Und vor den Neiddebatten in der Bevölkerung, die jeder Wechsel auslöse, schütze es sowieso nicht."Überhaupt kein Wechsel"


In Sachen Pofalla verstieg sich Uhl dann zu der Behauptung, dass die Bahn ja ein bundeseigenes Unternehmen sei, Pofalla mithin nur vom Bund zum Bund gehe. "Das ist also überhaupt kein Wechsel". Freilich zahlt die Bahn fast zehn Mal so viel wie das Kanzleramt, bis zu 1,8 Millionen Euro im Jahr. Außerdem hatte, darauf wiesen die Oppositionsredner hin, auch Kanzlerin Angela Merkel ihrem Minister zu einer Wartezeit geraten. Es gebe also offenbar doch ein Problem.
Grundsätzliche Schranken zwischen Politik und Wirtschaft wollte keine Partei errichten, der Austausch müsse möglich bleiben. Grünen-Fraktionsgeschäftsführerin Britta Haßelmann meinte sogar, aus diesem Grund brauche man das Gesetz. Derzeit gebe es bei jeder Personalie eine empörte öffentliche Debatte und Verdächtigungen. Drei Jahre Karenzzeit, wie von Lobby Control und Transparency International gefordert, seien angemessen. Derzeit feilscht die Koalition darum, ob die freiwillige Wartefrist neun Monate, ein Jahr oder 18 Monate dauern soll. Man wolle eine "pragmatische Lösung" finden, sagte SPD-Redner Mahmut Özdemir. Ohnehin sei die Halbwertzeit der guten Kontakte, auf die es Unternehmen bei der Einstellung von Politikern eigentlich absähen, nicht besonders lang. wk

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