"Die Kernenergie hat ihren Höhepunkt überschritten"

In der Diskussion um das französische Kernkraftwerk Cattenom ist Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) diese Woche scharf kritisiert worden, weil er sich weigert, die Stilllegung des Pannenmeilers zu fordern. "Warum diese vornehme Zurückhaltung?", hat TV-Redakteur Rolf Seydewitz gestern den Minister gefragt.

Sie haben unlängst in Paris vereinbart, dass es bald ein Sondertreffen der Minister aus Frankreich, Luxemburg und Deutschland wegen Cattenom geben soll. Wie sind Ihre Erwartungen an das Gespräch?Altmaier: Cattenom ist ein Kraftwerk, das nicht nur die Bevölkerung in Frankreich bewegt, sondern auch die Menschen in der Grenzregion. Und deshalb muss bei diesem Treffen auch über alles gesprochen werden, was die Menschen hier bewegt. Das sind Fragen der Sicherheit oder der grenzüberschreitenden Kooperation. Und natürlich werden wir auch über die französischen Planungen reden, den Anteil der Kernenergie an der Stromversorgung zu reduzieren.Inwiefern wird Rheinland-Pfalz denn an den Gesprächen beteiligt sein?Altmaier: Es ist ein Gespräch zwischen Regierungen, das erste übrigens, das es zu diesem Thema geben wird. Mir ist nicht bekannt, dass meine Vorgänger Jürgen Trittin und Sigmar Gabriel jemals ein solches Gespräch auf Ministerebene geführt haben. Ich möchte, dass bei dem Gespräch auch Vertreter aus Rheinland-Pfalz und dem Saarland dabei sind. Und ich werde mich im Vorfeld auch mit meinen Kollegen aus den beiden Bundesländern und aus Luxemburg zusammensetzen, um das Gespräch vorzubereiten.Die Haltung der rot-grünen Landesregierung ist klar: Stilllegung und zwar möglichst sofort. Für Sie dagegen scheint das Abschalten des Meilers kein Thema zu sein, oder?Altmaier: Für mich steht auf jeden Fall die Sicherheit an oberster Stelle. In diesem Punkt lasse ich mich auch von niemandem übertreffen.Der Mainzer Innenminister Roger Lewentz hat Sie wegen Ihrer Cattenom-Äußerungen scharf kritisiert und Ihnen Unkenntnis vorgeworfen. Was antworten Sie ihm?Altmaier: Ich bin von der Haltung des Mainzer Innenministers Roger Lewentz sehr enttäuscht. Er schadet der Region. Und es ist kurzsichtig, weil Lewentz versucht, aus dem Thema parteipolitisches Kapital zu schlagen und ausgerechnet den Minister angreift, der sich als Erster für die Interessen der Region einsetzt. Ich bin sehr verwundert, dass ausgerechnet ein SPD-Minister mir dabei in den Rücken fällt. Ich habe das Thema Cattenom schon bei meinem ersten Paris-Besuch als Umweltminister im Februar angesprochen. Lewentz wirft Ihnen vor, nicht an der Seite der betroffenen Bundesländer Rheinland-Pfalz und Saarland zu stehen.Altmaier: Noch einmal: Herr Lewentz macht Parteipolitik auf dem Rücken der Menschen in der Saar-Lor-Lux-Region. Mit dieser parteipolitischen Rhetorik erreicht er nichts für die Menschen. Und Lewentz wird damit auch im Wahlkampf nicht punkten. Im Übrigen ist es ganz klar, dass Gespräche unter Freunden nicht mit Vorbedingungen geführt werden. Das hat es im deutsch-französischen Verhältnis noch nie gegeben. Wir reden offen über alles. Es gibt übrigens auch in Frankreich eine unabhängige Behörde, die für die Sicherheit der Kernkraftwerke zuständig ist. Ihre Prognose: Wie lange wird es Cattenom noch geben?Altmaier: Wenn ich Prognosen über einzelne Kernkraftwerke abgeben würde, wäre das der falsche Einstieg in die Gespräche. Ich bin aber überzeugt, dass die Kernkraft in Deutschland, Europa und weltweit ihren Höhepunkt überschritten hat. Und dass wir wahrscheinlich schneller aus der Kernenergie aussteigen werden, als sich viele das heute vorstellen können. seyExtra

Bundesumweltminister Peter Altmaier ist ein politisches Urgestein. Der 1958 im saarländischen Ensdorf geborene Christdemokrat sitzt seit Mai 2012 als Nachfolger von Norbert Röttgen am schwarz-gelben Kabinettstisch in Berlin. Davor war Altmaier (Foto: dpa) parlamentarischer Geschäftsführer der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Der Sohn eines Bergmanns gehört seit fast 20 Jahren dem Bundestag an. Er war einer der ersten Spitzenpolitiker, der den Kurznachrichtendienst Twitter nutzt. Altmaier ist ledig und begeisterter Koch.sey

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