"Die Kleine ist mir immer auf den Schoß geklettert"

LISSENDORF. Seit Dienstag sind die Einwohner des Eifelorts Lissendorf schockiert. Sie können es nicht fassen, dass die zweijährige Latifah von ihrer Mutter zu Tode gequält worden sein soll – unbemerkt von der Öffentlichkeit – mitten im Ort.

 Betroffenheit über den Tod der kleinen Latifah: Wolfgang Endrulles (rechts), der in dem Lissendorfer Haus unter der Wohnung der mutmaßlichen Täterin lebt, gibt einem Fernseh-Team ein Interview.Foto: Gaby Vogelsberg

Betroffenheit über den Tod der kleinen Latifah: Wolfgang Endrulles (rechts), der in dem Lissendorfer Haus unter der Wohnung der mutmaßlichen Täterin lebt, gibt einem Fernseh-Team ein Interview.Foto: Gaby Vogelsberg

Die Zweijährige war am Dienstagmorgen tot in der Wohnung gefunden worden. Laut Staatsanwaltschaft ist das Kind nach unzähligen Misshandlungen über einen längeren Zeitraum hinweg gestorben (der TV berichtete).Das kleine Eifeldorf ist für zwei Tage in den Blickpunkt des Medieninteresses geraten. Die Lissendorfer Bevölkerung ist immer noch geschockt. Und verwundert über die vermeintlichen Lügengeschichten der 31-jährigen Mutter.

"Ich bin fix und fertig. Derartiges hätte ich niemals vermutet", sagt Inge Habrich. Die Seniorin wohnt im Nachbarhaus. Noch vergangene Woche habe die 31-Jährige aus Kamerun sie besucht: "Aber allein, die Kleine war nicht dabei." Schon längere Zeit habe sie "den Sonnenschein" nicht mehr gesehen.

Dabei waren die Besuche von Mutter und Tochter für die allein stehende Seniorin eine willkommene Abwechslung.

"Die Kleine ist mir immer auf den Schoß geklettert und hat mich lieb gedrückt. Dann hat sie mit meinen Deko-Puppen auf dem Sofa gespielt", erzählt Habrich gerührt. Die beiden Male, die sie die junge Familie besucht habe, habe das Mädchen angeblich immer geschlafen. Sie habe sie bei den Gegenbesuchen nicht gesehen.

Nachbarn stellen Kerzen auf

Dem Ehepaar, das im selben Mietshaus wohnt, nannte die Mutter des Kindes offenbar verschiedene Namen. Wolfgang Endrulles erklärt: "Sie hat gesagt, sie selbst heiße Jasmin und die Kleine Belise." Beide Namen sind offenbar falsch. Die Zweijährige hieß nach TV-Informationen Latifah.

Nachbar Karl-Heinz Friedrich hat mit seiner Ehefrau und seiner siebenjährigen Tochter einen rosa-farbenen Plüsch-Elefanten und eine Kerze zum Gedenken aufgestellt. Andere Bürger haben Kerzen dazu gestellt. Friedrich erinnert sich: "Vor drei Monaten habe ich im Laden gegenüber der Kleinen noch ein Überraschungs-Ei geschenkt, weil ich meiner Tochter auch eines kaufte." Familie Friedrich wohnt vis-à-vis: Ihre Wohnung liegt auf gleicher Höhe wie die der 31-Jährigen - nur drei Meter Luftlinie entfernt.

Friedrich erklärt: "Während der zehn Monate, die die Familie dort wohnte, waren immer die Übergardinen zugezogen. Auch tagsüber." Erst seit Dienstag seien die orangefarbenen Gardinen des Wohnzimmerfensters und die gelben des Schlafzimmerfensters zur Seite geschoben gewesen. Friedrich sagt: "Ich bin entsetzt, aber wir haben wirklich nie was gehört."

Eine Etage tiefer wohnt Diana Inselberger. Die Mutter eines zweijährigen Sohnes sagt: "Ich habe geweint, als ich davon erfuhr. Noch jetzt krieg' ich eine Gänsehaut, wenn ich nur dran denke." Ebenso wie viele andere Nachbarn stellt sie sich die Frage, ob sie die Tat hätte verhindern können. "Wir haben auch nichts bemerkt. Wer weiß denn schon, was die Leute in ihren vier Wänden treiben?", sagt sie.

"Beim Dauner Jugendamt war nichts von den Dramen, die sich in der Lissendorfer Hauptstraße abgespielt haben müssen, bekannt", sagt Dezernent Berthold Schmitz. Auch mit der Ausländerbehörde habe es keine Probleme gegeben. Schmitz: "Anfang des Jahres zog die junge Familie nach Lissendorf. Da das Ehepaar zuvor in Kamerun geheiratet hatte, war es für uns eine normale Familienzusammenführung."

Latifahs Vater ist Deutscher, aber seit drei Monaten im Ausland. Eine Nachbarin sagt: "So lange habe ich auch schon das Auto mit dem luxemburgischen Kennzeichen nicht mehr gesehen. Damit kam er immer zum Wochenendbesuch."

Die 31-Jährige lebte allein mit ihrer Tochter in der Dachgeschosswohnung. Nachbar Endrulles: "Sie kriegte nur manchmal von ihrem Bruder oder ihrer Mutter, die auch in der Region leben, Besuch. Sonst kam keiner."

Die Tragödie ist unterdessen Gesprächsthema in allen Geschäften und Kneipen des Dorfs. Gestern waren alle Zeitungen, die über Latifahs Tod berichteten, ausverkauft. Radio- und Fernsehjournalisten zogen durch das Dorf - im Wettstreit um die besten Interviewpartner.

Die Frau selbst, die in Koblenz in Untersuchungshaft sitzt, schweigt auch am Donnerstag. Die Staatsanwaltschaft spricht nach wie vor von einem dringenden Tatverdacht gegen die Mutter. Das Motiv ist allerdings auch für die Ermittler noch rätselhaft.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort