Die Klinik am Rande der Existenz

Trier · Welche Zukunft haben kleine Krankenhäuser auf dem Land? Der Trierer Experte Andreas Goldschmidt sieht die einzige Überlebenschance in Kooperationen und in der Telemedizin.

 Für kleine Kliniken auf dem Land wird das Überleben immer schwieriger. Foto: dpa

Für kleine Kliniken auf dem Land wird das Überleben immer schwieriger. Foto: dpa

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Trier Es war eine Nachricht, die nicht nur die Mitarbeiter schockierte. Die überraschend angekündigte Schließung des St.-Elisabeth-Krankenhauses in Wadern (Merzig-Wadern) zum Ende des Jahres hat auch die Bürger im nördlichen Saarland verärgert. Bis zu dem Zeitpunkt der Verkündung hat niemand damit gerechnet, dass die Klinik, in der 190 Menschen beschäftigt sind, schließen wird. Es seien wirtschaftliche Gründe, die den Schritt notwendig gemacht haben, heißt es beim Krankenhausträger, der Marienhaus GmbH. Von "verschärften Rahmenbedingungen" für kleine Krankenhäuser ist die Rede. Allein in diesem Jahr betrage der Verlust in dem Waderner Haus voraussichtlich 2,5 Millionen Euro.
Die Nachricht sorgt aber nicht nur im Saarland für Unruhe. Die Marienhaus GmbH betreibt in der Region unter anderem die Kliniken in Hermeskeil, Bitburg und Gerolstein. Bis 2014 gehörte auch das Neuerburger Krankenhaus in der Eifel dazu, das als Verbund mit dem Standort Bitburg betrieben wurde. Genau wie in Wadern verkündete der Träger damals überraschend die Schließung des unrentabel gewordenen Hauses. Auch wenn nach der Ankündigung in Wadern seitens der kirchlichen Marienhaus GmbH gesagt worden ist, man müsse diesen Schritt gehen, um die Leistungen im ländlichen Raum aufrechterhalten zu können, herrscht derzeit große Verunsicherung. Welche Zukunft haben die Marienhaus-Kliniken in der Region? Welche Zukunft haben generell kleine Kliniken auf dem Land? Aufgrund der Kosten werde es immer schwieriger, die medizinische Versorgung auf dem Land zu sichern, sagt Marienhaus-Geschäftsführer Günther Merschbächer. Eine Standortgarantie will er daher nicht geben. Er verweist jedoch auf jährlichen Investitionen etwa in Bitburg und Gerolstein von über zwei Millionen Euro.
Bereits jetzt ist fast jedes zehnte Krankenhaus in Deutschland von Insolvenz bedroht. Das geht aus einer Untersuchung des Wirtschaftsforschungsinstituts RWI hervor (siehe Bericht unten). Nach Ansicht der Landeschefin der Krankenkasse Barmer, Dunja Kleis, gibt es ohnehin zu viele (kleine) Kliniken im Land. Darunter leide die Qualität der medizinischen Versorgung, sagte Kleis kürzlich in einem Gespräch mit unserer Zeitung (der TV berichtete). Je mehr spezielle Behandlungen ein Krankenhaus durchführe, desto höher sei die Qualität, glaubt sie. Das könnten allerdings nur größere Kliniken mit entsprechendem Fachpersonal und entsprechender Ausstattung. Trotzdem müsse die medizinische Grundversorgung in ländlichen Regionen aufrechterhalten werden. Ob diese jedoch ausschließlich von Kliniken angeboten werden müssen, stellt die Barmer-Landeschefin infrage. Sie schlägt eine stärkere Verzahnung von niedergelassenen Ärzten und Krankenhäusern in der Region vor. Auch der Trierer Gesundheitsökonom Andreas Goldschmidt hält das für den richtigen Weg und eine Chance. Kleine Krankenhäuser, also Kliniken mit weniger als 200 Betten, hätten nur noch im Verbund mit anderen oder als sogenannte Medizinische Versorgungszentren, die gemeinsam mit niedergelassenen Ärzten betrieben werden, eine Überlebenschance. In der Region gibt es derzeit offiziell zwei solcher Verbünde.
Das Bitburger und Gerolsteiner Krankenhaus kooperieren, und die Krankenhäuser in Wittlich und Bernkastel-Kues bilden einen Verbund. Das Prümer Krankenhaus kooperiert grenzüberschreitend mit der Klinik im nahe gelegenen belgischen St. Vith.
"Künftig müssen der ambulante und der stationäre Bereich besser verzahnt werden", sagt auch der Landeschef der Techniker Krankenkasse, Jörn Simon. Er sieht nicht nur in der wirtschaftlichen Lage der kleinen Kliniken ein Problem. Diese Krankenhäuser hätten es schwerer, Ärzte zu finden als Kliniken im städtischen Raum. Als einen Grund für die immer weiter steigenden Kosten nennt das RWI die Alterung der Gesellschaft. Dies führe zu mehr Patienten und zu "überproportional steigenden Gesundheitsausgaben". Zudem sinke die Zahl der jüngeren Menschen, die arbeiteten und damit Beiträge in die gesetzlichen Krankenkassen zahlten. Dadurch wachse die Finanzierungslücke für die Kliniken weiter. Bereits jetzt fehlen den Kliniken in Deutschland jährlich 2,6 Millionen Euro an Fördermitteln durch die Bundesländer.
Goldschmidt sieht auch durch die vermehrte Nutzung mobiler Dienste und der Telemedizin, etwa dem Kontakt zwischen Arzt und Patient über Internet, eine Möglichkeit, die medizinische Grundversorgung auf dem Land aufrechtzuerhalten.
Das Land hat angekündigt, den Ausbau entsprechender Angebote zu fördern. "Es ist davon auszugehen, dass die Telemedizin die flächendeckende Versorgung unterstützt und ein Beitrag zur Sicherung und Entwicklung ihrer Qualität sein wird", heißt es in einer Antwort der rheinland-pfälzischen Gesundheitsministerin Sabine Bätzing-Lichtenthäler (SPD) auf eine Anfrage der CDU-Landtagsfraktion zur medizinischen Versorgung. "Innovationen im Bereich der Digitalisierung und Robotik könnten helfen, den demografischen Wandel zu bewältigen und mit weniger werdendem Fachpersonal steigende Patientenzahlen zu versorgen", heißt es in der RWI-Studie.Extra: KRANKENHAUSBETTEN


(dpa) 24 223 Betten standen zuletzt in rheinland-pfälzischen Plankrankenhäusern zur Verfügung. Zusätzlich gebe es in den Kliniken 1343 tagesklinische Plätze, erklärte das Gesundheitsministerium in Mainz auf eine Große Anfrage aus der CDU-Fraktion. Im Jahr 2009 war die Gesamtzahl ähnlich: 24 701 vollstätionäre Betten und 934 teilstationäre Betten. Die Zahlen beziehen sich auf Plankrankenhäuser, die vom Land in die Krankenhausplanung aufgenommen wurden und Investitionen erhalten. Nicht erfasst ist dabei die Zahl der Betten in Privatkliniken sowie in sogenannten Vertragskrankenhäusern, die nur bestimmte Leistungen wie in der Psychiatrie oder der Plastischen Chirurgie erbringen. Laut Landeskrankenhausplan 2010 gab es damals 1059 Privatbetten. Die Zahl der Betten in Privatkliniken ist dem Ministerium nicht bekannt.

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