Die Kronprinzen laufen sich warm

Mainz · Im Mainzer Machtgefüge verschieben sich nach den Personalbeschlüssen der rot-grünen Koalition die Koordinaten. Die neue Rollenverteilung liefert Fingerzeige auf einen Nachfolger von Ministerpräsident Kurt Beck.

Mainz. Er hat vier Landtagswahlen gewonnen. Er amtiert seit 1994 und ist der dienstälteste Ministerpräsident in Deutschland. Er hat angekündigt, wie normale Leute bis zum 67. Lebensjahr arbeiten zu wollen. Doch bleibt Kurt Beck, 62, SPD-Landesvorsitzender und Regierungschef in Rheinland-Pfalz, tatsächlich bis zum Ende der Legislaturperiode 2016 im Amt? Die meisten politischen Beobachter zweifeln daran und gehen davon aus, dass der bärtige Pfälzer rechtzeitig seinem Nachfolger die Chance geben wird, sich für den nächsten Urnengang warm zu laufen.
Nach der Postenvergabe in der neuen Landesregierung bleiben als Kronprinzen die üblichen Verdächtigen übrig. Sie übernehmen teils neue Aufgaben. Zwar ist keiner aus dem Rennen um die Beck-Nachfolge, doch kristallisieren sich Roger Lewentz und Hendrik Hering als chancenreichste Anwärter heraus.

Roger Lewentz, in der vergangenen Wahlperiode Staatssekretär im Innenministerium, erklimmt die nächste Stufe der Karriereleiter. Er folgt Karl Peter Bruch nach und wird Minister für Inneres, Sport, und - neu - Infrastruktur. Der 48-Jährige, verheiratet, vier Kinder, wird im Kabinett eine herausgehobene Stellung haben. Denn er übernimmt neben der Verantwortung für die Kommunen, die Polizei und den Verfassungsschutz auch die für die umstrittenen Großprojekte Nürburgring und Flughafen Hahn.
In der SPD halten viele den eloquenten wie scharfzüngigen Lahnsteiner für den geborenen Nachfolger Becks. Seinen Wahlkreis hat er klar gewonnen und kann also Menschen überzeugen. Lewentz ist in der Partei als ehemaliger Landesgeschäftsführer und Generalsekretär sowie als aktueller Parteiratsvorsitzender bestens verdrahtet. Er kennt das landespolitische Geschäft aus dem Eff-Eff, ist seit 1991 dabei.
Bislang hat Roger Lewentz höhere Ambitionen stets zurückhaltend betrachtet. Er könne nicht nach Höherem streben, solange er kein Minister ist. Diese Hürde entfällt künftig.

Hendrik Hering gibt das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Landwirtschaft und Weinbau zwar ab, wird jedoch SPD-Fraktionschef. Aus dieser mächtigen Position heraus gelang 1994 auch Kurt Beck der Sprung auf den Sessel des Ministerpräsidenten.
Hering gilt als pfiffiger Managertyp, der auch schwierige Problemlagen wie am Nürburgring anpackt. Der 47-jährige Jurist hat schon früh Wähler überzeugen können, als er 1989 als damals jüngster Amtsinhaber Stadtbürgermeister von Hachenburg im Westerwald wurde. Bei der Landtagswahl hat er eines der drei besten Ergebnisse landesweit für die SPD eingefahren.
Hering ist seit 2004 stellvertretender SPD-Landesvorsitzender und führt den großen Regionalverband Rheinland, verfügt also über beste Drähte in der Partei. In den Landtag zog er 1996 als Abgeordneter ein, war später Staatssekretär im Umwelt- und im Innenministerium. Über eigene Ambitionen spricht er nicht, aber er gilt als ehrgeizig.

Doris Ahnen beackert weiterhin eines der wichtigsten, wenn nicht das wichtigste Feld der Landespolitik: Bildung. Die gebürtige Triererin, 46, ist fachlich versiert und eine clevere Strippenzieherin. Reformen in der schwierigen Schullandschaft hat sie ohne einen großen Aufschrei der Eltern oder Lehrerverbände umgesetzt.
Schon 1991 betrat Ahnen als Leiterin des Ministerbüros im Bildungsressort die landespolitische Bühne, wurde später Staatssekretärin und schließlich 2001 Ministerin. In der SPD ist die stellvertretende Landesvorsitzende sehr gut vernetzt, gehört auch dem Vorstand des starken Regionalverbands Rheinland, dem Bundesvorstand und dem Bundespräsidium an.
In der wichtigen Frage, ob sie persönlich Wähler überzeugen kann, hat Doris Ahnen einen Dämpfer bekommen. Den Kampf um das Direktmandat in Mainz, das sie innehatte, hat sie gegen CDU-Mann Wolfgang Reichel knapp verloren. Viele in der Partei werden sich fragen, wie es ihr angesichts dessen gelingen sollte, CDU-Chefin Julia Klöckner 2016 in die Schranken zu weisen.

Jochen Hartloff wird Minister der Justiz und für den Verbraucherschutz. Der Name des Kuselers fällt auch immer wieder, wenn über die Beck-Nachfolge spekuliert wird.
Hartloff, 57, verheiratet, zwei Kinder, hat jedoch den Machtkampf in der SPD um das Amt des Fraktionschefs, das er gerne behalten hätte und um das er intern gekämpft hat, verloren. Damit dürfte feststehen, dass er als Kronprinz ausscheidet.
Eine Politikerin wird in den Diskussionen, wer "König Kurt" beerbt, nie berücksichtigt, obwohl sie in allen Lagern aufgrund ihrer Fähigkeiten hoch geschätzt wird:
Malu Dreyer. Die 50-jährige bleibt Arbeits-, Sozial- und Gesundheitsministerin und deckt die sozialdemokratischen Kernthemen ab. Chancen hätte sie mit ihrer souveränen, ruhigen Art und ihrem Fachverstand allemal, zumal es ihr gelungen ist, die Hochburg der CDU in Trier zu schleifen.
Dreyer leidet allerdings unter Multipler Sklerose, und man wundert sich immer wieder, wie sie es mit dieser Krankheit schafft, ihr enormes Arbeitspensum zu leisten.

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