Die Linkspartei wählt in Rostock eine neue Führung und preist die alte

Die Gründungsväter treten ab, die neue Doppelspitze startet mit großem Rückhalt: Die Linke hat auf ihrem Parteitag in Rostock einen Generationswechsel vollzogen. Politisch will sie aber Kurs halten.

Berlin. Die Bühne ist in ein warmes Rot getaucht. Vor dem Logo "Die Linke" steht das neue Führungsduo, eingerahmt vom alten. Gesine Lötzsch, die Quotenfrau aus dem Osten, und Klaus Ernst, der Quotenmann aus dem Westen, schwenken Rosensträuße. Oskar Lafontaine und Lothar Bisky, die Gründungsväter der Partei, blicken zufrieden auf ihre Nachfolger. Die Delegierten applaudieren kräftig - schöne linke Harmonie, die vergessen machen soll, dass es sich um eine personelle Notlösung handelt.

Es war im November des Vorjahres, als Oskar Lafontaine überraschend seinen Rückzug vom Fraktionsvorsitz ankündigte und zwei Monate später mitteilte, aus Gründen einer Krebserkrankung auch nicht mehr für die Parteispitze zu kandidieren. Prompt entstand ein Machtvakuum, in dem es zu heftigen Personalquerelen und Richtungsstreitigkeiten kam. Höhepunkt des Dramas: der erzwungene Rückzug des im Reformlager beliebten Bundesgeschäftsführers Dietmar Bartsch, weil er politische und persönliche Interna über Lafontaine an die Medien weitergegeben haben soll. Ausgerechnet sein alter Kumpel Gregor Gysi stellte den Parteiorganisator dafür öffentlich an den Pranger, in der Hoffnung, Lafontaine auf diese Weise doch noch für eine weitere Amtszeit zu gewinnen. Doch das war eine Fehlkalkulation.

So verliert die Linke auf dem Rostocker Parteitag in Lafontaine ihr westliches Aushängeschild und mit Bartsch einen erfolgreichen Parteimanager aus dem Osten. In seiner Abschiedsrede zieht der Saarländer noch einmal alle rhetorischen Register. "Eine erfolgreiche Strategie wechselt man nicht aus", lautet sein Vermächtnis. Ohne ihn wäre die PDS wohl immer eine Ost-Partei geblieben und die von ihm gepuschte WASG eine Fußnote der Geschichte. Durch die Fusion der beiden Gruppierungen sitzt die Linke mittlerweile in 13 von 16 Landesparlamenten. Dieses Verdienst von Lafontaine erkennen auch jene Parteigänger an, die sich am autoritären Führungsstil des Saarländers genauso stoßen wie an seinem fundamentaloppositionellen Pathos.

Die Kehrseite der Erfolgsmedaille spielt in Rostock allerdings kaum eine Rolle. Zwar heißt es im verabschiedeten Leitantrag: "Unsere Partei ist noch nicht so zusammengewachsen, wie sich viele das gewünscht haben". Aber die allermeisten Reden handeln vom Lob für den eigenen Aufschwung und der Genugtuung, vor den Auswüchsen des Kapitalismus schon gewarnt zu haben, als die Linke von der politischen Konkurrenz dafür noch verhöhnt wurde. "Die anderen schreiben alle von uns ab", donnert Lafontaine ins Mikrofon. Und das Publikum tobt vor Begeisterung.

Kritik gibt es allenfalls am Zustandekommen des Personaltableaus, das dem Parteitag zur Abstimmung vorliegt. Fraktionschef Gregor Gysi hatte die neue Parteiführung Ende Januar mit den Landesverbänden nach allen Regeln des Ost/West-, Strömungs- und Geschlechter-Proporzes ausgekegelt. "Das ist eine Entmündigung der Delegierten", schimpft ein sächsischer Mandatsträger.

Bestes Ergebnis für Gesine Lötzsch



Da die Parteibasis die neue Führungsstruktur (Doppelspitze und doppelte Besetzung der Geschäftsführung) aber zwischenzeitlich schon in einer Urabstimmung gebilligt hat, geht es nur noch um die Wahlergebnisse der dafür vorgesehenen Kandidaten.

Mit knapp 93 Prozent erzielt Gesine Lötzsch erwartungsgemäß das beste Ergebnis. Die 48-jährige neue Vorsitzende hat sich nie auf einen bestimmten Parteiflügel festgelegt. Daher ist sie für ost- und westdeutsche Parteigänger gleichermaßen vermittelbar. Ihr Co-Chef Klaus Ernst bekommt dagegen nur rund 75 Prozent der Stimmen. Doch auch das ist besser als befürchtet. Denn der 55-jährige Bayer ist ein polarisiererender Typ, der sich offen auf die Seite der Bartsch-Gegner geschlagen hatte. Zu den eher bizarren Vorgängen gehört die Wahl von Sahra Wagenknecht, der Wortführerin der Kommunistischen Plattform, zur stellvertretenden Parteivorsitzenden. 2007, als die Führung der Linkspartei zum ersten Mal bestimmt wurde, hatte Gysi dies noch mit aller Macht verhindert. Drei Jahre später in Rostock begründet er, warum Wagenknecht genau die Richtige dafür ist: Sie sei "streitbar" und könne Standpunkte "klar formulieren". In ihrer Bewerbungsrede wettert die 40-jährige bekennende Marxistin tatsächlich klar gegen eine "Annäherung" an die SPD. Den allermeisten Delegierten gefällt das prächtig. Wagenkecht kommt auf 75,3 Prozent der Stimmen. Nur der enge Lafontaine-Vertraute Heinz Bierbaum schneidet bei der Vize-Wahl um ein paar Zehntel besser ab. Dagegen kommt die Vertreterin des Realo-Flügels, Halina Wawzyniak, nur auf magere 57,8 Prozent.

Als Gysi schließlich Dietmar Bartsch für seine Verdienste lobt, schütteln viele Delegierte ob der Heuchelei den Kopf. Lafontaine ist zu diesem Zeitpunkt gar nicht im Saal. Er gibt Interviews. Und was wird sich nun nach seinem Abgang ändern? Nichts, sagt Gesine Lötzsch den Journalisten. "Würden Sie Ihr Erfolgskonzept ändern, wenn Ihre Zeitung eine Auflage von fünf Millionen hätte?" Zumindest an Selbstbewusstsein herrscht in der neuen Führung kein Mangel. Doch Lafontaine geht lieber auf Nummer Sicher: "Wenn ich den Eindruck habe, ich sollte etwas sagen, werde ich mich auch wie gewohnt zu Wort melden". extra Rot-Rot-Grün in NRW? Nach der FDP-Absage an eine Ampel-Koalition mit SPD und Grünen rückt das Verhältnis von SPD und Linkspartei in den Mittelpunkt des nordrhein-westfälischen Koalitionspokers. Auf ihrem Parteitag signalisierte die Linke zunehmende Bereitschaft zu einem rot-rot-grünen Bündnis im bevölkerungsreichsten Bundesland. Allerdings hofft auch die CDU weiter - auf eine Große Koalition mit der SPD.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort