Die Macht der Rating-Agenturen

Berlin · Die in den USA ansässigen Rating-Agenturen spielen bei der Griechenland-Rettung eine entscheidende Rolle. Nun drohen die Bonitätsprüfer damit, die geplante Beteiligung privater Gläubiger als Zahlungsausfall zu werten, was die Krise in verschuldeten Euro-Ländern verschärfen könnte.

Berlin. TV-Korrespondent Stefan Vetter spricht im Interview mit dem Wirtschaftsweisen Peter Bofinger über Rating-Agenturen:Herr Bofinger, offenbar haben Rating-Agenturen mehr Macht als ganze Staatengemeinschaften. Wie ist das möglich?Peter Bofinger: Die Macht der Rating-Agenturen ergibt sich daraus, dass Banken, Versicherungen und Pensionsfonds nur Papiere mit bestimmten Mindest-Qualitätsmerkmalen halten dürfen. Die entsprechende Qualitätsprüfung erledigen die privaten Ratingagenturen, von denen es weltweit nur drei gibt. Ihre Macht resultiert also vor allem aus dem fehlenden Wettbewerb.Können sie für ihre Entscheidungen haftbar gemacht werden?Peter Bofinger: Nein, die Rating-Agenturen berufen sich darauf, dass sie wie Journalisten nur "Meinungen" abgeben, die durch das Recht der freien Meinungsäußerung geschützt sind, und dass sie deshalb für falsche Ratings nicht haften müssen.Warum nehmen Staaten die Meinung der Rating-Agenturen praktisch wie ein Gottesurteil hin?Peter Bofinger: Das Grundproblem ist, dass heute das Wohl und Wehe der Währungsunion von den Finanzmärkten abhängt. Die Märkte entscheiden, ob sie einem einzelnen Euro-Land weiter Geld geben oder nicht. Denn anders als die USA oder Großbritannien hat dieses Land keine Möglichkeit, sich über eine eigene Notenbank zu finanzieren.Und was folgt daraus?Peter Bofinger: Ein Teufelskreis. Wenn die Märkte zu dem Urteil kommen, ein Euro-Land ist finanziell in Not, dann steigen dort die Zinsen, was es dem Land schwerer macht, seine Schulden zu bedienen. Dann sagen die Rating-Agenturen, die Möglichkeit der Schuldenrückzahlung verschlechtert sich, was weitere Zinserhöhungen nach sich zieht. Letztlich sind die Rating-Agenturen also nur Teil des Spiels.Würden Sie sagen, dass die Rating-Agenturen für die Zuspitzung der Griechenland-Krise verantwortlich sind?Peter Bofinger: Sie verschärfen den Teufelskreis. Das Hauptproblem ist die mangelnde Bereitschaft der Politik zu grundlegenden Lösungen.Was schlagen Sie vor?Peter Bofinger: Der Teufelskreis lässt sich nur durchbrechen, in dem man für die Währungsunion ein einheitliches Finanzierungsinstrument schafft. Es würde schon reichen, griechische Anleihen in Anleihen des Euro-Rettungsfonds zu tauschen. Dann wäre die Macht der Rating-Agenturen über Griechenland gebrochen. Nur handelt es sich dabei um eine Art Vorstufe für Euro-Bonds, und da winken finanzstarke Euro-Länder wie Deutschland ab.Könnte man auf die Rating-Agenturen komplett verzichten?Peter Bofinger: Prinzipiell ja. Nötig wären dann ein umfassendes eigenständiges Rating der Banken und Versicherungen und eine akribische Überprüfung dieser Ergebnisse durch die staatliche Finanzaufsicht. Maßstab könnte die Schuldenstandsquote eines Landes sein. Je höher sie ist, desto unsicherer ist die finanzielle Situation des Landes.

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