Die Milch macht’s nicht mehr

Trier · Die Zeiten für Landwirte sind alles andere als rosig. Seit Wegfall der Quote und seit dem russischen Importstopp für europäische Agrar produkte bangen viele Milchbauern um ihre Zukunft. Aber nicht nur sie: Längst hat die Krise auch andere Berufsgruppen erreicht.

Die Nachricht sorgte im Herbst vorigen Jahres nicht nur in der Eifel für Gesprächsstoff: Der Bitburger Landmaschinenhandel Gangolf schließt in absehbarer Zeit seine Tore - 67 Jahre nach seiner Gründung. "Wir sind nicht dazu gezwungen", begründete Prokurist Thomas Gangolf den ungewöhnlichen Schritt, aber die Nachfrage und der Umsatz seien rückläufig. "Bauern schieben Investitionen und Reparaturen auf, weil die Milchpreise im Keller sind." Zudem fänden viele Landwirte keinen Nachfolger mehr.

Das Ende des Bitburger Landmaschinen-Traditionsbetriebs ist kein Einzelfall. Die Krise der Landwirtschaft hat längst auch andere Branchen erfasst, die von und mit der Landwirtschaft leben. Der rückläufige Verkauf von Traktoren oder Mähdreschern ist ein Beispiel, aber auch Futtermittelhändler oder Tierärzte bekommen es zu spüren, wenn die Bauern weniger Geld zur Verfügung haben und so mancher Landwirt sogar ums Überleben kämpft.

"Die Krise ist für viele Kollegen existenzbedrohend", sagt der Präsident des Bauern- und Winzerverbands Rheinland-Nassau, Michael Horper. Der Eifeler glaubt, dass in der nächsten Zeit noch mehr Betriebe dichtmachen könnten als in der Vergangenheit. Allein zwischen 1999 und 2015 sank die Zahl der landwirtschaftlichen Betriebe in der Region Trier von 9500 auf 5200 (siehe: Regionale Landwirtschaft in Zahlen). Das Besondere an der jetzigen Situation: Auch viele Betriebe, deren Inhaber immer kräftig investiert haben, um auf dem neuesten Stand der Technik zu sein und kostengünstig produzieren zu können, sind wegen der anhaltend niedrigen Milchpreise in Schieflage geraten.
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"Diese gut aufgestellten Betriebe leiden infolge der andauernden Preiskrise unter substanzieller Auszehrung", sagt der Präsident der rheinland-pfälzischen Landwirtschaftskammer, Norbert Schindler. Ebenso wie Bauernpräsident Michael Horper sieht auch Schindler die Ursache für die Krise im globalen Ungleichgewicht zwischen Angebot und Nachfrage. Allerdings hält der CDU-Bundestagsabgeordnete Schindler nichts von regional begrenzten Produktionssenkungen, also einer neuen Quote. Die Lösung könne nur in der Erschließung des weltweit bestehenden Nachfragepotenzials bestehen. Wenn die chinesische Wirtschaft wieder Fahrt aufnehme und sich die Beziehungen zu Russland endlich normalisierten, zögen die Preise von ganz alleine wieder an, glaubt Schindler.

Auch der Eifeler CDU-Politiker und Landwirt Michael Billen ist für eine Ankurbelung der Nachfrage, um die Preise und damit Einnahmen der Bauern zu erhöhen. Allerdings ist Billen dafür, dass der Staat oder Hilfsorganisationen größere Mengen Milch aufkaufen, die dann zu Trockenmilch verarbeitet und in die Krisen- und Hungerregionen geliefert werde sollte.

Die Mainzer Landwirtschaftsministerin Ulrike Höfken (Grüne) will die Menge begrenzen, indem Betriebe Geld dafür bekommen sollen, wenn sie nicht mehr Milch anliefern. Höfken verweist auf das Nachbarland Belgien, wo wallonische Milchbauern derzeit vom Staat einen Zuschlag von drei Cent pro Liter Milch bekommen.

Von Bürgschaften, wie sie etwa Bauernpräsident Michael Horper für finanziell klamme Betriebe fordert, hält die Mainzer Landwirtschaftsministerin nichts. "Bürgschaften würden die Abhängigkeit der Landwirte nur verstärken und sie weiter in die Verschuldung und letztlich zur Aufgabe treiben", sagte Höfken unserer Zeitung.Extra

Der Deutsche Bauernverband veröffentlicht jedes Jahr einen Situationsbericht der Landwirtschaft, in dem er auch über die Einnahmen der Bauern informiert. Die Zahlen sind Durchschnittswerte von 12 400 Haupterwerbsbetrieben, können also im Einzelfall erheblich voneinander abweichen. Laut Situationsbericht war das zurückliegende Wirtschaftsjahr von einem starken Gewinneinbruch gegenüber dem Vorjahr gekennzeichnet - um etwa ein Drittel auf 43 300 Euro. Von der starken Abwärtsentwicklung seien fast alle Betriebsformen und Regionen mehr oder minder betroffen gewesen, heißt es im Bericht. Besonders stark seien aber die Gewinne der Milchviehbetriebe eingebrochen - um 44 Prozent auf 38 800 Euro. Auch der Ausblick ist eher trübe: Im laufenden Wirtschaftsjahr seien wegen "tendenziell ungünstiger Marktentwicklungen weitere Gewinneinbußen" zu befürchten. Extra

In Deutschland stehen für die Agrarförderung bis 2020 jährlich 6,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Insgesamt macht das Agrarbudget der Europäischen Union gut 40 Prozent des gesamten EU-Haushaltes aus. Vor allem Großbetriebe bekommen Subventionen in Millionenhöhe. Die meisten Bauern könnten ohne Beihilfen nicht überleben. Rund 80 Prozent der Landwirte in der EU erhalten allerdings weniger als 5000 Euro jährlich. Auf der Internetseite der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung ist abrufbar, wer was an EU-Beihilfen für welche Maßnahmen bekommt. So erhielt etwa ein Bauer aus der Eifel mit einem größeren Betrieb, der mehrere Familien ernährt, vor zwei Jahren rund 67 000 Euro. Der Betrag setzte sich zusammen aus Direktzahlungen, der Ausgleichszulage für benachteiligte Gebiete und Agrarumweltmaßnahmen. Ein kleinerer Hof bekam aus dem Topf für Modernisierung landwirtschaftlicher Betriebe im selben Jahr rund 8500 Euro.

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